Dispatch haben eine recht abenteuerliche Bandgeschichte hinter sich und auch für ihr neues Studio-Album haben sie 5 Jahre gebraucht: am 2. Juni 2017 erscheint ihr neues Werk „America, Location 12“ und was Chad Urmston, Pete Heimbold und Brad Corrigan da zusammengeschustert haben, haben wir uns schon mal vorab angehört.
Quiekende Fuzz-Gitarren eröffnen „Be Gone“, ehe der Gesang einsetzt und die Schrumpelgitarre irgendwie an die Beatles erinnert, tolle Harmonien und wunderschön gesungen, nur die verzerrte Gitarre knattert gnadenlos mit irischen Traditional-Licks dazwischen. Das hat irgendwie was, obwohl das natürlich Geschmacksache ist. Jedenfalls gehört einen Haufen Mut dazu, in der heutigen Zeit einen derartigen Song aufzunehmen, in der Mitte auch noch acappella… aber wie schon gesagt, Dispatch haben sich nie was um Trends geschissen und immer schon ihr Ding durchgezogen. Aus irgendeinem Grund sind sie ja schliesslich eine der bekanntesten und beliebtesten Indie-Bands! Der Song endet mit 60er-Jahre-Feeling und der nächste Song „Only The Wild Ones“ schliesst da nahtlos an. Wieder diese tollen mehrstimmigen Vocals, die gestandenen Crosby, Stills, Nash & Young-Fans die Tränen in die Augen treiben werden! Rhythmisch bewegen wir uns irgendwo im Niemandsland zwischen Paul Simon („Graceland“) und hawaiianisch/karibischen Klängen. Apropos Paul Simon: Simon & Garfunkel könnten punkto Vocals beim nächsten Song „Curse + Crush„ Pate gestanden haben. Ein herzergreifend schöner Song mit fraglos Hitqualitäten, gegen die die Indie-Rocker aber – wie es sich für eine Independent Band gehört – Chart-resistent sind. „Painted Yellow Lines“ ist dann ein weiterer Song, der chartverdächtig groovt und mit Melodien aufwartet, die das Grönlandeis zum schmelzen bringen würden. Ein wirklich wunderbarer Song mit mehrstimmigen Vocals, mal im Stile von America und dann wieder nahe an den Doobie Brothers, aber sowas von eigenständig! Sagenhaft! Die verzerrte Gitarre hatten sie ja nur beim ersten Track eingesetzt, alles andere wurde brav mit der Westerngitarre geschrammelt. Darum wurde es für „Skin The Rabbit“ wieder Zeit, die harten Töne anzuschlagen. Und es ist auch ein ordentlicher Rocksong dabei herausgekommen und die tollen Harmony Vocals vertragen sich auch mit Distortion-Guitars und knackigen Drums! Der Chorus hat auch wieder diese Hitqualitäten, weswegen der Song auch als erste Radio-Single ausgekoppelt wurde. Das war es aber erstmal wieder mit der (etwas) härteren Gangart. „Midnight Lorry“ kommt wieder sehr akustisch und etwas bluesig aus den Boxen, die laid back Vocals kommen relaxt und doch prägnant rüber. Alles sehr sparsam instrumentiert und mit einem leichten Country-Touch. Natürlich auch ein Song, den man sich öfters anhören möchte. Allein schon wegen des unsterblich schönen Refrains!
„Begin Again“ tönt auch schwer nach Simon & Garfunkel und das ist als Kompliment gemeint! Und wenn sich Dispatch gegen das reich und berühmt werden nicht gewehrt hätten wie die Moslems gegen den Minirock, dann würde man sie heute genau so kennen und verehren wie alle in diesem Review genannten Bands. Und ja, sie wären heute reich und berühmt. Das gilt auch für das geniale „Rice Water“, welches ebenso tolles Songwriting und astreine Harmony Vocals mit sozialen/kritischen/politischen Themen so gekonnt verbindet, dass man meinen könnte, sie wären Hit-Lieferanten und keine Indie-Grantscherm-Band… Das konnten so genial und hinterfotzig zuvor nur Chumbawamba! Das gilt getrost auch für „WindyLike“, welches mal wieder schwer im 60ies-Sound hängengeblieben ist, – die Hollies lassen grüssen! Das Arrangement könnte man fast schon progressiv bezeichnen. Akustische Gitarren, schöne Zerlegungen und hypnotische Vocals prägen dann „Ghost Town“, erstmals ein schwächerer Song, aber angesichts der Flut an genialem Songmaterial aber auch irgendwie wurscht… Fuzz-Gitarren am Anfang von „Atticus Cobain“, ehe es wie gehabt/gewohnt weitergeht… Dieser Song ist der musikalisch am modernsten instrumentierte und auch der nervöseste…Hm, gut gesungen allemal, aber irgendwie in seiner Gesamtheit auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei.
Unterm Strich eine saugute Platte, die sich Fans von unglaublich geil gesungenen, mehrstimmigen Vocals unbedingt kaufen sollten. Wer wissen möchte, wie die Beatles heute klingen würden, wenn sie damals munter bis heute weitergekifft hätten, auch der möge bitte zugreifen und wer wissen möchte, wie eine Indie-Band klingt, die wirklich was kann, der kommt an Dispatch sowieso nicht vorbei. Und wer heute noch am Lagerfeuer die Wanderklampfe würgt und der Hippiezeit nachtrauert, der kann sich mit diesem Album locker trösten. Und wer seine Freunde mit ausgezeichnetem Musikgeschmack beeindrucken möchte und/oder sich selbst bzw. seinen Gehörgängen etwas Gutes tun möchte, der muss dieses grandiose Album sowieso haben. Aus basta!
Rating: 8,5 von 10 Punkten!
CD-Review by TOM PROLL
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