Eine Buchvorstellung am Firmengelände von „Beat the Street“ in Fritzens in Tirol. An sich schon etwas ungewöhnlich, aber passend zu dem Unternehmen, das Jörg Philipp in den letzten achtundzwanzig Jahren aufgebaut hat. Angefangen hat alles 1992 mit einer Idee und einem ausrangierten Bus. Mittlerweile besitzt das Unternehmen einen Fuhrpark mit bestens ausgestatteten Tourbussen, Vans und Luxuskarossen, um alle Wünsche von Musikstars erfüllen zu können. Neben Busfahrern beschäftigt „Beat the Street“ Tischler, Elektriker, Schweißer und Lackierer, zur Zeit um die zweihundertsechzig Mitarbeiter. Wenn man auf der Homepage von „Beat the street“ die Kundenliste liest, gibt es kaum eine Band oder einen Künstler, der die Busse des Unternehmens noch nicht in Anspruch genommen hat. Im Lauf der Zeit lernt Jörg Philipp nicht nur Musiker, sondern auch Veranstalter kennen, darunter auch Berthold Seliger.
Im Mai 2019 erschien das aktuelle Buch von Berthold Seliger, – und Jörg Philipp und Andy Franzelin (ehemals Weekender, Hard Rock Cafe…, jetzt bei „Beat the Street“) beschließen, den Veranstalter und Buchautor zu einer Präsentation nach Tirol zu holen. Musiker, Veranstalter und Musikinteressierte lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen und finden sich zahlreich am Firmengelände von „Beat the Street“ ein. Berthold Seliger versteht es dann auch sofort, die anwesenden Gäste mit dem spannenden Thema und seiner unterhaltsamen Vortragsweise zu fesseln.
Im ersten Teil seines Buches durchleuchtet er die Entwicklungen im Konzertgeschäft unserer Tage. Die Zeiten, da man für ein Rolling Stones-Konzert in München einheitlich 38 Deutsche Mark auf den Tisch blätterte, sind leider schon lange vorbei. Seit vor einigen Jahren findige Marketingstrategen auf die Idee kamen, die Sitz- und Stehplätze in den Konzertsälen und Arenen aufzusplitten und viele, unterschiedliche Preiskategorien einzuführen („Front of stage“, „Golden Circle“, „Diamond Ticket“, „VIP Package“…), kennt die Preismaximierung bei Konzerten anscheinend keine Grenzen mehr.
Das weltweite Konzertgeschäft wird von großen Konzernen wie „Live Nation“, „CTS Eventim“ oder „AEG“ bestimmt. Dass diese Konzentration weiter geht, zeigt ein Artikel in der „Tiroler Tageszeitung“, nur wenige Tage nach der Buchpräsentation. Unter dem Titel „Eventim übernimmt Barracuda“ berichtet die Tageszeitung, dass die zuständige Kartellbehörde der Übernahme von 71 Prozent der Anteile am österreichischen Konzertveranstalter Barracuda Music durch CTS Eventim zugestimmt hat. Barracuda Chef Ewald Tatar kommentierte den Deal wie folgt: „Ich sehe das nicht als Verkauf, sondern als absolut sinnvolle Partnerschaft für beide Seiten.“ Ob dies der Konzertvielfalt gut tut und ob das der Musikfan auch so sieht, wird sich erst zeigen.
Wie Berthold Seliger ausführt werden die großen Gewinne dieser Konzerne allerdings nicht mit der Veranstaltung selbst erzielt. Durch die absurd hohen Gagen, die einige wenige Superstars erhalten, ist das Konzertgeschäft ein Minus. Die Gewinne werden im Bereich des Ticketing eingefahren. Das Provisionsgeschäft beim Verkauf der Karten ist ja auch viel risikoloser und mit durch hohe Gebühren äußerst lukrativ.
Neben dem Ticketing hat sich neuerdings ein neuer Geschäftszweig für die Konzerne aufgetan – Sponsoring. An große Unternehmen wie Magenta (deutscher Telefonanbieter) wird das Recht verkauft, dass diese die Tickets ihren Kunden einige Tage früher zum Kauf anbieten. So fließen bereits Millionenbeträge ohne dass auch nur ein Ticket verkauft ist, und Magenta freut sich über ein positives Image bei ihren Kunden und über Daten, die sie erhalten. Wie überhaupt Big Data auch in der Konzertbranche ein großes Thema ist.
Aber auch beim Eintrittskarten-Zweitmarkt wird das große Geschäft gemacht. Firmen wie Viagogo bieten Karten für bereits „ausverkaufte“ Konzerte zu weit überhöhten Preisen an. Für Konzerte von großen Stars gibt es oft bereits innerhalb kurzer Zeit keine Karten mehr. Über den Eintrittskarten-Zweitmarkt hat der Fan die Möglichkeit, seine Lieblingsband doch noch zu sehen, allerdings zu was für einem Preis.
Im zweiten Teil des Buches schildert Berthold Seliger die Entwicklung der Musikfestivals von „Monterey Pop“ bis „Burning Man“. Auch in diesem Bereich ist der Idealismus verdrängt worden und es regiert nur noch das Ziel der Gewinnmaximierung. Auch bei den Festivals heißt das große Thema der heutigen Zeit, Big Data. Der neueste Hit sind Festival-Bänder mit Chips. Diese werden aufgeladen und beim Merchandise, den Essen- und Getränkeständen kann nicht mehr bar bezahlt werden, sondern es wird vom Chip abgebucht. In Verbindung mit dem Eintrittsticket kann so jeder Schritt und jede Ausgabe der einzelnen Festivalbesucher nachvollzogen werden. Tolle Aussichten halt.
Im dritten Teil geht der Autor auf die Situation der Clubs sowie der soziokulturellen Zentren ein. Bei diesem Thema bleibt vor allem ein Satz in Erinnerung: „Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen sind Konzerte in Clubs mit weniger als dreihundert Besuchern ein Verlust für den Veranstalter und für die Künstler. Umso mehr sollten die Musikfans Clubkonzerte besuchen und jungen aufstrebenden oder unbekannteren Musikern eine Chance geben.“
Auf den letzten Teil seines Buches über die soziale Situation von Musikerinnen und Musikern geht Berthold Seliger bei seinem Vortrag nicht ein. Diese Seiten sind allerdings genauso spannend zu lesen wie der Rest des Buches.
„Vom Imperien-Geschäft“ – ein Buch, das jedem Musikliebhaber, Konzertbesucher, aber auch den Musikern und Veranstaltern nur empfohlen werden kann!
Buch-Tipp und Buch-Präsentations-Review by MICHAEL STECHER