CHRIS ZITTA – „Gestern war gestern“ (CD-Review) – Ein Bottle-Bua auf Solopfaden, auf einer Zeitreise und zurück

Chris Zitta, das ist der Gitarrist und Songwriter von Alkbottle, er ist aber auch Tontechniker und Mitveranstalter der Seminare „Guitar Hotel“. Und nun hat er nach 22 Jahren Alkbottle sein erstes Solo-Album herausgebracht. Und „Gestern war gestern“ ist ganz anders geworden, als ich je zu träumen wagte. Chris Zitta, der u.a. Heinz Neuböck und Milan Polak als Lehrer hatte, spielte und spielt immer sehr fein Gitarre und solierte und soliert noch immer auf Top-Niveau, also lag bei mir die Vermutung nahe – als ich von den Plänen für ein Solo-Album hörte – dass er ein reines Instrumental-Album aufnehmen wird, so a la Satriani, Johnson, Malmsteen, Vai & Co. Tja, da habe ich mich gewaltig getäuscht, denn Zitta führt den Alkbottle-Schmäh auf ein anderes Level und runderneuert dabei gleich den Austropop. Er schreibt Texte aus dem (seinem?) Leben und bewegt sich manchmal dabei noch in der Nähe der Alkbottle-Saufhymnen („Brüderlein trink“), hauptsächlich aber kreierte er kleine Geschichten der Beisl-Häusl-Sprüche-Poesie und Hinterhof-Literatur, alles immer gradlinig und verspielt, wienerisch raunzend („I kann mi ned um alles kümmern“) und typisch österreichisch wie beim Track „Beim Wirten beinand“. Irgendwie hatte man das so alles nicht erwartet und man ist dafür umso mehr erstaunt, dass Zitta nicht nur tolle Songs geschrieben hat, diese auch erwartungsgemäss geil eingespielt hat, sondern seine musikalischen Kleinode a la „Wiener-Lied 5.0“ selber sehr lässig singt. Der Schlingel hat hier ein sehr feines Album abgeliefert, welches ich hiermit etwas genauer vorstellen möchte:

Das Album beginnt mit dem Song „I kann mi ned um alles kümmern“, der klingt wie ein Song von Blood, Sweat & Tears mit viel Bläsern und Groove und so… Zitta erfindet so nebenbei den „Wiener Raunzer-Rap“ und hat in diesen Song den Spagat zwischen Lebensweisheiten, Real-Situationen und Humor bravourös geschafft. Lässiger Song, zu dem es ein geiles T-Shirt gibt! Die zweite Nummer heisst „Roadcrew“ und erzählt aus dem Leben der Roadies, scheinbar alles Alkoholiker ohne feste Wohnadresse… Der Song, der am ehesten als Blues-Rock durchgeht, begeistert mit geilen Bluesharp-Solos von Jürgen Rottensteiner! Und bis hierher noch immer kein Gitarrensolo. Die „Gute alte Zeit“ beginnt er nur mit seiner Akustik-Gitarre und singt dazu sehr amtlich! Wenn die Band dazukommt, wird es ein sehr lässiger Song im Midtempo mit einem zartbitteren Text a la Georg Danzer. Grandiose Nummer, die auch nachdenklich macht. Mit „Brüderlein trink“ nähert er sich dem Alkbottle-Schmäh an, manövriert den Song aber geschickt in die Liga der Protestlieder, Antikriegs-Songs, kritischen Lieder… und! spielt ein superleiwaundes Gitarren-Solo! Endlich! Pippifein, Herr Zitta! Dann der Titeltrack „Gestern war gestern“, ein autobiografischer Song über sein Musiker-Leben im hatscherten Tempo (laid back groove) und auf einem Niveau, das sonst nur die Steirer STS erreichten! Mit „Der Seemann“ wird er fast schon lyrisch, poetisch und erzählt von Abenteuern, Sehnsüchten und Träumen. Das seltsame Mischmasch aus Hochdeutsch und Wienerisch irritiert anfangs, aber der Song, der auch mit Klassik-Instrumenten eingespielt wurde und wieder ohne Gitarrensolo auskommt, fesselt, – und der Refrain ist einfach super… „Regen“ ist dann wieder eine Ballade, mit Cello und Bluesharp, melancholisch und nachdenklich, auf dem Niveau eines Reinhard May! Und dann „Für immer Du“, eine Liebesballade im Austropop-Style, – eine schöne Nummer, aber vielleicht etwas flach und zu spekulativ. Naja, Geschmäcker sind halt verschieden.

 

Diesen Fehltritt entschädigt er sofort mit der leidenschaftlichen Nummer „Jung und frei“. Der längste Track des Albums ist eine coole Rocknummer, textlich geht’s u.a. um seine Anfänge als Rockstar in Austria und wenn er mit dem singen fertig ist, folgt eine Gitarren-Solo-Orgie! Der Instrumentalteil erinnert frappant an „Freebird“ von Lynyrd Skynyrd und auch das Solieren der drei Skynyrd-Gitarristen ist ähnlich der Solo-Orgie von Zitta & Friends. In folgender Reihenfolge greifen seine Musikkollegen fest in die Saiten: Chris Zitta, Ulli Bäer (u.a. Wir4), Milan Polak (Ex-Falco), Leo Luca Bei (Wiener Wahnsinn), Chris Zitta, Hannes „Fusel“ Bartsch (Blind Petition), Martin Sobotnik, Oliver Varga und Didi Baumgartner. Na endlich! Gitarren en masse! Eine sehr leiwande Nummer und das nicht nur für Gitarren-Freaks! „Kokain“ ist dann wieder ein textlicher Abstecher in die „wilde Zeit“, von wem auch immer… Jedenfalls glänzt dieser Song mit sehr lässiger Gitarren-Arbeit! „Zeitloch“ ist dann wieder eher schwächer, zwar musikalisch in Ordnung, dafür ist der Text – sagen wir mal so – eine Rauschgeburt. Dafür ist dann „Beim Wirten beinand“ trotz unüberhörbarem Alkbottle-Schmäh sehr gesellschaftskritisch und hat sogar einen politischen Unterton. Alles gut. Die Überraschung des Albums ist aber der letzte Track „Wir können gehen“: hier frönt er wieder seiner Erfindung des „Wiener Raunzer-Raps“, vermischt aber seinen genialen Text, der vor Wortwitz nur so glänzt, gekonnt mit Ziehharmonika und Heurigen-Feeling. So begnadete Texter/Reimer wie Reinhard May und Mani Matter hätten ob seiner Story, der Wendungen und des Endes ihre Freude mit dem verkannten Genie Zitta, dem man so ein Album nicht zugetraut hätte.

Man kann es drehen und wenden wie man will, hier ist ihm ein hochinteressantes, abwechslungsreiches Album geglückt. Mit allen Facetten, die das Leben halt so zu bieten hat, da ist alles mögliche in seinen Texten, Trauer, Sehnsucht, Fernweh, Saufen,Philosophisches und Witziges, damals und heute… aber am besten, ihr kauft euch dieses Album und findet selbst heraus, was Chris Zitta alles zu bieten hat, lasst euch mitnehmen auf seine abenteuerlichen Reisen und lauscht den sehr clever und erfahren arrangierten bzw. absolut amtlich instrumentierten Songs! Hier sind Könner am Werk und wie gesagt: „I kann mi ned um alles kümmer“, ihr müsst euch diese CD schon selber besorgen! Ihr werdet es nicht bereuen!

Rating: 8 von 10 Punkten!

CD-Review by TOM PROLL

Weblinks: Chris Zitta HomepageChris Zitta Musik Facebook, Guitarhotel, Alkbottle

…und hier seine wirklich wunderbar geschriebene Biografie, die der Presse-Bemusterung beilag bzw. per eMail verschickt wurde und die entweder ungelesen im elektronischen Daten-Nirvana oder im Altpapier verschwunden wäre, wenn wir sie hier nicht veröffentlichen würden. Bitte lesen! Es zahlt sich aus! Geschrieben hat den wunderbaren Text der PR-Super-Profi Jürgen Rottensteiner!

DAS ALBUM / DIE BIO / „GESTERN WAR GESTERN“

Über namenlose Strände, eine geplatzte Karriere als Bankkaufmann und Stefan Zweig.

Chris Zitta hat ein Soloalbum fertiggestellt. „Gestern war gestern“ heisst sein Erstlingswerk und es ist samt und sonders aus eigener Feder entsprungen. Wie macht man sowas? Wie schreibt, textet, komponiert man ein ganzes Album, produziert es noch dazu teilweise in den eigenen 4 Wänden und schafft es Qualität zu liefern, die wir seit der – Gott hab sie selig – goldenen Ära des Austropop’s nicht mehr gehört haben? Chris Zitta kann das. In seiner Wohnung im 18ten Bezirk riecht es nach Musik und der grossen, weiten, asiatischen Welt. An den Wänden Akustikpaneele, dazwischen hängen Gitarren, der Fernseher ist nur noch Attrappe. Nicht einmal angesteckt. Hier wird gelebt, gearbeitet, musiziert, gelesen, geschrieben, gekocht. Asiatisch, scharf, versteht sich. Dass er gerne nach Thailand reist, bzw. dort eigentlich seit vielen Jahren jeden Winter verbringt, verrät die Einrichtung. Bunte Pölster, wunderschönes Tuch, dunkles, exotisches Holz, Accessoires aus Indochina – Chris Zitta fühlt sich hier wohl. Er dreht sich eine Zigarrette, setzt sich standesgemäß zu seinem Totenkopfaschenbecher und erzählt.

Ursprünglich war ihm eine Karriere als Bankkaufmann vorbestimmt. Muttern war die Assistentin eines der schillernsten Figuren der heimischen Banker-Szene der 80ger – Dr. Schmidt-Chiari. Der Bub sollte schließlich was ‚gscheits’ lernen. Eine Karriere in Hemd mit gestärktem Kragen, Krawatte, Bundfaltenhose und adrettem Haarschnitt? Mitnichten. Die Liebe zur Musik kommt von seinem Vater. Der ihm als grosser Plattenboss der Ariola, Bellaphon und später dann Warner-Music die Türen zu einer ganzen Welt aus Vinyl eröffnete. Pressfrisch, druckfrisch, Erstpressungen, Besonderheiten von A(mbros) bis Z(appa). Der kleine Chris durfte sich bei jedem Bürobesuch was aussuchen. Auch wenn er noch keine Ahnung hatte und die Vinyls ausschliesslich nach dem Coverartwork griff, so fiel ihm doch zur rechten Zeit eine Maxi-Single in die Hände: AC/DC „Touch too much“.

Harte Stromgitarren, noch nie gehörte Riffs, unfassbarer Sound – dem damals erst 6jährigen ist klar – das will ich. DAS ist es. Er lernt Gitarre spielen. Seine ältere Schwester verpasst ihm kurze Zeit später den nächsten Heureka Moment – Iron Maiden. Und so kommt Chris zu einer spannenden Mischung auf seinen selbstgebastelten Kassetten – Giganten des Rock gemischt mit Wolfgang Ambros und Ludwig Hirsch. Dunkelgraue Lieder und Zentralfriedhof. Rock vom Daddy und Austropop von Mum. Jetzt wird einiges klarer. Sein Gitarrenlehrer verzweifelt als ihm der kleine Rock’n’Roller bittet ihm alles beizubringen was auch Angus Young so kann. So muss er sich mühsam die Riffs raushören, sie versuchen nachzuspielen. Youtube, Spotify oder überhaupt Internet – gab’s noch lange nicht. Erst etliche Jahre später sollte er auf Milan Polak treffen, der ihm schlussendlich in die hohe Kunst der Stromgitarre einführte.

Was wird aus dem Bankkaufmann? Die Karriere endet, bevor sie beginnt, als Chris kurz vor Abschluss seiner Lehre mit drei anderen Jungmenschen gemeinsam einfach beschliesst abzuhau’n. Mit 15! Gemeinsam mit seinem besten Freund, seiner Schwester, und deren besten Freundin beschliesst der Revoluzzer Trupp einst beim Mittagessen, dass dies doch nicht der Weg sein kann. Sparbücher werden geplündert und man fährt schnurstracks zum Flughafen. Raus in die Welt. Ohne irgendjemanden aus der Erwachsenenwelt zu informieren. Destination: New York. Amerika, das gelobte Land. Wo ein Wille, da leider doch kein Weg, denn damals schon wollten die Behörden ein Visum sehen, also schwenkt man kurzerhand um und nimmt den nächstbesten Flug nach – Barbados. Die Vier schaffen es tatsächlich bis in die Karibik. Hätte nicht ein besorgter Elternteil mittlerweile schon die Interpol verständigt, um die Kids suchen zu lassen, wäre die Einreise vielleicht sogar geglückt. Hat sie aber nicht. Der Trupp wird zurück auf den nächsten Flieger retour verfrachtet, schafft es nochmal kurz bei einer Zwischenlandung in Santa Lucia abzuhau’n, wird aber von einer grinsenden Militärstreife gefasst und wieder in das Flugzeug nach Hause gestopft. Eine wilde Geschichte, Chris’ Augen funkeln als er sie erzählt. Das ist Freiheit, das ist Rock’n’Roll. Wieder zuhause angekommen gibt’s selbstredend Schelte – bis rauf zum Generaldirektor der Bankanstalt.  Zumindest wird dem kühnen Ausreißer noch gewährt, seinen Lehrabschluss in der Bank zu vollenden. In Jeans, Turnschuhen, T-Shirt und mit viel zu langen Haaren. Das war’s dann aber auch schon mit dem seriösen Leben, am Tag seines Abschlusses bricht Zitta Junior auf nach Indochina, wo sein Vater mittlerweile Chef der Warner-Music Malaysia war.

Selbstfindung. Rausfinden was man will. Seinen Platz finden. Was blieb über von der Bank? Nur eines hat er für sein Leben gelernt und hält sich eisern dran – „Mach niemals Schulden“. Ein Insider muss es wissen… Seinen 18ten Geburtstag feiert er in Bangkok. Aus den Plänen, vielleicht in Bali eine Strandbar zu eröffnen wird dann doch nichts und so kehrt Chris zurück nach Wien um am American Institute of Musik in Ottakring Musik zu studieren. Gitarre. Mit Lehrern wie „Paul Hanson“, „Les Wise“ und „Heinz Neuböck“.  Im Anschluss zieht es ihn knapp zwei Jahre nach Malaysia um am dortigen SAE Institute seinen Tonmeister zu machen. Wie kam’s zu Alkbottle? Die nächste Zigarette wird gerollt und man erinnert sich. An den einen Sonntag, als die Familie in der Wiener Burggasse, über dem Cafe „Zipp“ zu Tisch sitzt und ein gewisser Roman Gregory anruft und frägt, ob der Gitarrist Chris Zitta tatsächlich nach einer Band suchte. Man trifft sich im Wiener „Tunnel“, trinkt Spritzer und fixiert die Gründung der Band „Alkbottle“. Österreichische Musikgeschichte wird in seeliger Weissweinlaune geschrieben. So mögen wir das. Der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte.

Heute ist Chris Zitta erwachsen geworden. Hat sein kleines Schrebergartenhäuschen am Rande des Wienerwaldes, und verbringt jeden Winter in Thailand. Auf einer namenlosen Insel, an einem kilometerlangem Strand, fernab der Zivilisation in einem bescheidenen Bungalow. Strom gibts nur am Abend aus dem Dieselgenerator. Handyempfang?  Gibts keinen. Maximal am Hafen, und das ist von Jahr zu Jahr verschieden, erzählt er. Auf der Insel hat sich über die Jahre eine Kommune gebildet, Musiker, Künstler, Autoren, Kreative, die sich alle Jahre wieder treffen um sich zu inspirieren und um vollständig entschleunigt von der Muse geküsst zu werden. Engländer, Franzosen, Deutsche, Kanadier, Japaner – es ist ein buntes Völkchen. Jeden Dienstag, Freitag und Sonntag finden Open Stage Sessions statt. Es wird nach Herzenslust gejammed, jeder der will darf. Bier, gute Laune, Freiheit und Gipsy Jazz. Chris’ Steckenpferd und Lebensunterhalt auf einem Eiland wo jeder Tag dem anderen gleicht. „So kann man zumindest ein paar Wochentage auseinanderhalten“, lacht er. Was man sonst so macht an einem Ort, an dem die Zeit in den 70gern stehengeblieben scheint, ohne Massentourismus, ohne Supermarkt, ohne Autos und ohne Stromversorgung,  ausser die schlichte Einfachheit des Lebens in sich aufzusaugen? Zeichnen. Lesen. Musizieren. Schreiben. Zum Beispiel Songs für ein Album. Zum Beispiel die Songs für das sehr autobiographische Album: „Gestern war gestern“!

Tom
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X-ACT Music Magazine - Gründer, Erfinder, Herausgeber, Medieninhaber, Chefredakteur, Design, Logo-Creator. Sonst noch: Gitarrist, Composer, Arranger, Producer, Bandleader.