ROCKBITCH – Comeback oder nicht? Das ist hier die Frage…

Die britische Band Rockbitch war einst für ihre heidnischen Rituale, ausschweifenden Orgien und Heavy Metal-Musik berühmt berüchtigt. Besonders ihre Live-Konzerte mit praktizierten Sex-Handlungen sorgten für Diskussionsstoff und übervolle Hallen. Auftrittsverbote, Polizei-Einsätze, Anzeigen und Festnahmen und das berühmt berüchtigte „Golden Condome“… Und dann hatten sie ja auch noch ein paar CDs die sich weniger gut verkauften und ein paar DVDs (zuvor VHS-Videos), die sich sehr gut verkauften. Dann verschwanden die Skandalnudeln plötzlich von der Bildfläche. Nun sind sie aber wieder aufgetaucht. Eine nicht ganz jugendfreie Geschichte mit unbekanntem Ausgang, vielen Spekulationen und wilden Gerüchten…

Alice Cooper bewunderte sie. Feministinnen und evangelikale Christen hassten sie. Interpol überwachte sie. Gerichte und Staatsanwälte waren mit ihnen mehr als beschäftigt. Bürgermeister und Hallen-Warte waren hoffnungslos überfordert. Eines lässt sich jedenfalls mit Fug und Recht behaupten: Die Musikerinnen der Band Rockbitch ließen niemanden kalt. Und das nicht von ungefähr. Zwischen 1998 und 2002 veranstalteten die Mädels europaweit deftige, pornografische Bühnenshows, dass selbst die härtesten Rock’n‘Roller daneben wie brave Chorknaben ausgesehen hätten. Während der enthemmten Konzerte ging es hart und gnadenlos zur Sache, da wurde gevögelt, geschleckt und geleckt, gestreichelt und ausgegriffen und alle gängigen Sex-Spielzeuge ausgiebigst verwendet. Sie hatten sogar einen Dildo konstruiert, der an einen Synthesizer angeschlossen war. „Muschi-Musik“ sozusagen. Und wenn sie nicht gerade mit heidnischen Ritualen beschäftigt waren, oder feministische Kampfansagen machten, kamen sich die nackten Musikerinnen auf der Bühne näher, als man je zu denken glaubte.

Waren die Mädels reine aktionistische Performance-Künstlerinnen mit Hang zur sexuellen Revolution? Handelten sie im Auftrag der sexuellen Befreiung der Frau? Erreicht werden sollten diese „hochehrbaren“ Ziele durch hemmungslosen und ungezwungenen Sex. Rockbitch ist mehr als nur eine Band. Es handelt sich vielmehr um eine heidnisch-feministische Gemeinschaft, bestehend aus 15 polyamorösen Mitgliedern – zwei Männer waren auch dabei -, welche die eigenen Ideale tabulos auslebt. Jahrelang wohnte die Band wie eine große Familie unter einem Dach im Osten Frankreichs zusammen und teilte sich nicht nur Tisch und Bett (von entsprechender Größe, versteht sich), sondern auch die Salbeiblätter für diverse Hexenrituale und nicht zuletzt die Sexualpartner. Sie bewohnten ein ehemaliges Kloster in einem kleinen Dörfchen in der Nähe von Metz (F). Von dort aus führten die Mitglieder ihren Kampf für die neue, befreite Frau. Und ja, – Musik machten sie auch.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1984 interpretierte die Band Rockbitch die Idee von „Peace and Love“ auf ihre ganz eigene (Heavy Metal-) Art. In ihrer feministischen Utopie war kein Platz für Lisas oder Martinas. Sie nannten sich stattdessen „Magische Sex-Priesterin“ oder „Bühnenschlampe“. Die Fans kamen scharenweise zu ihren Konzerten, hauptsächlich männliche, versteht sich. Während vor den Hallen Feministinnen und Konservative Hand in Hand protestierten, versuchten drinnen Männer (und auch einige wenige Frauen), das „goldene Kondom“ zu ergattern, das den Ruf der Band mitgeprägt hat. Wer es fing, bekam eine private „Aftershowparty“ mit einem der Bandmitglieder. Also eines der Mädchen stellte sich als Sexobjekt zur Verfügung. Einfach so. Interpol wies die Gruppe an, ihre Bühnenshows deutlich zu entschärfen, Gerichte und Staatsanwälte wurden aktiv. Die diversen Veranstaltungsorte wurden häufig bedroht, Bombenalarm und Konzertabsagen standen genauso auf der Tagesordnung wie total überfüllte Venues und in Minuten ausverkaufte Shows! In Schottland und Kanada wurden die Auftritte komplett verboten. In Bayern liess die Polizei regelmässig Konzertsäle räumen… Mia san mia… Die Band führte ihr provokantes Auftreten jedoch weiter bis ins  Jahr 2002. Anno 2012 setzte der Tod der an Brustkrebs erkrankten Schlagzeugerin Jo dem Treiben ein vorläufig endgültiges Ende.

Seitdem damals herrschte Funkstille. Die selbsternannten Rockbitches waren spurlos verschwunden … Bis eine Journalistin des schwedischen Senders „SVT“ sie wieder ausfindig machte. Ihre Dokumentation „Häxan återkomst“ (etwa „Die Rückkehr der Hexen“, online verfügbar) befasst sich mit moderner Hexerei. Die verbliebenen Mitglieder von Rockbitch leben heute auf einem stattlichen Anwesen in der schottischen Provinz. Sie haben zwar ein paar Falten bekommen, tragen etwas mehr Kleidung als früher und haben den „Liebestempel“ aus dem Schlafsaal ausgelagert, um nächtliche Ruhestörungen zu vermeiden. Ihre Rhetorik jedoch hat sich nicht geändert. Dort oben, in den sagenumwobenen Wäldern Schottlands, verbreiten sie weiter ihre Magie. Und irgendwie hält sich das gnadenlos hartnäckige Gerücht, dass sie auch wieder auf Tournee gehen wollen. Ob sie dann auch noch ihre Porno-Show so wie damals zeigen werden? Ob sie noch so viel Staub wie damals aufwirbeln würden?

Bestandsaufnahme und News by  TOM PROLL

Line Up – damals:

  • Julie Worland – Vocals
  • „Luci“ – Guitar (ab 2000, davor Tänzerin, „Bühnenschlampe“ und Sex-Performerin)
  • Amanda Smith-Skinner (aka „the Bitch“) – Bass
  • Nikki Fay – Piano, Keyboards, Flute
  • Joanne „Jo“ Heeley (2 November 1972 – † 11 January 2012) – Drums
  • Lisa Wills (aka „Babe“)  – Leadguitar, Vocals, Sex-Performerin
  • „Chloe“ – Tänzerin, Sex-Performerin
  • Suna Dasi (aka „Kali“):Tänzerin, Sex-Performerin
  • Martina (aka „Erzulie“):Tänzerin, Sex-Performerin
  • Tony Skinner (aka „the Beast“): Leadguitar bis 2000 und auf „Motor Driven Bimbo“ und Produzent der beiden Studio-Alben

The Works (Discographie und Videographie):

  • „Luci’s Love Child“ (noch unter dem Ur-Bandnamen Red Abyss), 1992, Eurock Records
  • „Rockbitch Live In Amsterdam“ (1997), Crystal Rock Syndicate, Doppel-CD
  • „Bitchcraft“ Konzert- und Dokumentations-Video (1997), mittlerweile auf DVD veröffentlicht, nicht erhältlich in Ländern wie USA, Japan…
  • „The Bitch O’Clock News“ Reports und Video-Clips (1998), entschärfte Sonder-Edition für USA, Japan…
  • „Motor Driven Bimbo“ (1999), Steamhammer Records
  • „Psychic Attack“ (2002, unreleased)
  • „Sex, Death and Magick“ (Konzert-/Dokumentations-Video, 2002)
  • „This is Rockbitch“ (Dokumentations-Video, 2003)

MT-TV (Empty TV)

Zwischen 2003 und 2008 firmierten die Ex-Rockbitches sehr gesittet unter dem Bandname MT-TV, was soviel wie „Empty TV“ bedeutet. Lediglich ihre politischen und feministischen Kampfansagen, sowie ihre okkulten Rituale waren noch immer zentrale Themen. Über Sex wurde maximal gesungen, die Bühnenshow war gegenüber Rockbitch vergleichsweise ein Lärcherlschas. Hier das Line Up und die Discografie:

  • Krow (Julie Worland) – Vocals, Songwriterin
  • Alex („Babe“ Leadguitar
  • Brooke („Luci“) – Guitar
  • Fuse (Amanda Smith-Skinner) – Bass
  • Nikki – Keyboards
  • Jo (Joanne Heeley †) – Drums
  • „The Stereotypes“: Bunny („Chloe“), Erzulie, Kali: Backing Vocals und Bühnenshow
  • „Live in France“ (2005, CD Mini-Album)
  • „Shevolution“ (DVD, 2006)
  • „East/West“ (CD, 2008)
  • „North/South“ (DVD, 2008)
Tom
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X-ACT Music Magazine - Gründer, Erfinder, Herausgeber, Medieninhaber, Chefredakteur, Design, Logo-Creator. Sonst noch: Gitarrist, Composer, Arranger, Producer, Bandleader.