SHINEDOWN – „Attention Attention“ (CD-Review)

Shinedown ist eine der wenigen Bands der neueren Rockgeschichte, die ihren ureigenen Sound entwickeln konnten und diesen weltweit etablieren konnten. Mit „The Sound Of Madness“ (2008) lieferten sie – laut Fans und Kritikern – ihr Meisterwerk bereits mit dem 3. Release ab, hatten aber meiner Meinung nach ihren absoluten Höhepunkt bisher mit dem grandiosen Album Nr. 5 namens „Amaryllis (2011). Das 2015er-Album „Threat To Survival“ war dann eine verstörend schwache Angelegenheit, gemessen am bisherigen Output der Band. Und nun liegt das neue Album „Attention Attention“ vor, welches am Cover durch ein Rufzeichen glänzt und das wird Ed Sheeran überhaupt nicht in den Kram passen, wollte er doch auf seinem nächsten Album ebenfalls ein Rufzeichen postieren… Shinedown haben sich also wiedermal drei Jahre Zeit gelassen und ein Album veröffentlicht, welches so ganz anders ist, nämlich ihr allererstes Konzept-Album: es geht um die Entwicklung von Individuen, die sich diversen Situationen ausgesetzt sehen, die sie bisher nicht kennengelernt haben. Sie müssen sich den Problemen und Situationen stellen und sie müssen ebendiese meistern, um ihr Selbstvertrauen wiederzugewinnen, welches ihnen im Laufe der Zeit abhanden gekommen war. Die Entwicklung des Protagonisten und die damit einhergehende Persönlichkeitsbildung spiegelt sich klarerweise in der Entwicklung der Songs wider, die sich im Laufe des Longplayers konzeptionell von dunkel und heavy in Richtung hymnisch/euphorisch oder gar positiv/optimistisch entwickeln, ohne banal oder zu seicht zu werden.

Also dann rein in den Player. Geräusche, Schritte, Türen, Atem… eines dieser heutzutage üblich gewordenen theatralischen movie-ähnlichen Geräusch-Intros. „The Entrance“ ist nix anderes als 39 Sekunden Geräuschkulisse. Dafür geht es beim 2. Track „Devil“ ordentlich zur Sache! Ein tonnenschweres Riff, zornige Vocals und eine Stimmung voll dräuender Prophetie. Was für ein hämmernder Song! Shinedown are back! Aber wie! Das manifestiert sich auch beim dritten Song Black Soul“, der mit messerscharfen Riffs, tollem Arrangement und Vocals zum Niederknien aufwartet. Auch das Gitarren-Solo ist absolut amtlich. Gitarrist Michael Zachary Myers ist ja nunmehr der alleinige Gitarrist und somit nicht mehr nur der Rhythmus-Gitarrist, er spielt jetzt auch alle Lead-Gitarren. Und das macht er saugut! „Attention Attention“ ist dann ein fetziger Rock-Song, nur ein paar Härtegrade runtergeschaltet und mit den für Shinedown früher so typischen Harmony Vocals im Chorus.

Es geht nahtlos über in „Kill Your Conscience“, das etwas progig beginnt, mit harten Riffs garniert ist und hier verwenden sie auf diesem Album erstmals Rap-Vox. Alles in allen ein Song, wie aus einem Soundtrack eines Films über die Bronx… Aber auch hier schaffen es Shinedown gekonnt, in das ganze Lärm-Wirr-Warr noch tolle Melodien einzubauen. „Pyro“ geht dann gleich mal in diesem Fahrwasser weiter, allerdings zieht einem ein göttlicher Refrain einen saftigen Mittelscheitel. Keine Frage, Shinedown ist weder die brachiale Härte, noch ihr untrügliches Gespür für unsterbliche Melodien abhanden gekommen! „Monsters“ beginnt dann etwas schaumgebremst, ehe sägende Gitarren alles niedermähen. Ein sehr abwechslungsreicher Song voller Tiefgang und der zeitweiligen Härte. Aber spätestens hier muss man anmerken, dass die Vocals des Ausnahmesängers Brentley „Brent“ Stephen Smith wirklich der Oberhammer sind! Wir sind bei Song Nr. 8 angekommen und der geht mit stampfenden Rhythmen ab, wird dann leicht poppig, ehe wieder saftige Gitarren, treibende Bässe und wummernde Drums den Song vorantreiben. Und über all dem thronen die Leadvocals und die mächtigen Chöre. Ach ja, „Darkside“ heisst dieses wirklich gelungene Stück harter Pop/Rock-Musik. Dann schalten Shinedown ein paar Gänge zurück, Akustikgitarren und gefühlvolle Vocals machen aus „Creatures“ eine eingängige Rockballade, die eindrucksvoll daran erinnert, welch unglaublich gute und vielseitige Band hier am abrocken ist. „Evolve“ ist dann wieder ein schneller Song voller Saft und Kraft, ehe dann mit „Get Up“ ein Song kommt, der mit seinem poppigen Gute-Laune-Feeling durchaus auch das Zeug zum Sommer-Hit hätte. Ein Klasse-Song, der auch das extrem hohe Niveau des Songwritings zementiert! Und die catchy Melodie bleibt fraglos aber sowas von hängen! Mystisch wird es dann bei „Special“, wenn verfremdete Vocals zu Pianoklängen verzaubern. Eine wunderschöne Ballade, die von der Stimme und den Soundwänden lebt und rhythmische Instrumente erst gar nicht vermissen lässt…

Mit „The Human Radio“ gehen wir bereits in das Finale dieses Albums. Ein interessanter Song, wieder härter und mit rotzig frechen Riffs und extrem anspruchsvoll arrangiert. Hier zeigen sie ihr enorm hohes Können und ein verzerrtes Bass-Solo weiss ebenfalls zu begeistern. Und dann erst dieser Refrain, der sich felsenfest im Gehirn festsetzt! Absolut geniale Nummer! Mit „Brilliant“ kommen wir auch schon zum 14. Track des Albums und gleichzeitig zur letzten Nummer. Nach einem gediegenen einminütigen Intro fegt dann die Gitarre weg, dass alles zu spät ist! Shinedown ziehen nochmals alle Register ihres Könnens und haben eine der schnellsten Nummern ihrer Karriere in Stein gemeisselt. Am Ende der Nummer wieder Schritte, das Geräusch einer aufgehenden Türe, Maschinenlärm und eine Stimme: „See you next time!“ Was für ein Finale!

Shinedown sind stärker als je zurück und die lange Wartezeit hat sich diesmal gelohnt. Zwar fehlen so stark melodie-orientierte Songs wie auf „Amaryllis“ und auch ihre immer vorhandenen Southern Rock-Einflüsse sind nun gänzlich verschwunden, aber dafür glänzen sie auf „Attention Atttention“ mit einem abwechslungsreichen Feuerwerk aus Rock, Grunge, Metal, Pop und was-weiss-ich-was, zelebrieren neue Stadionhymnen genauso wie intime Songs voll Tiefgang und bieten vor allem passable Texte jenseits der mit Plattitüden gepflasterten Wege und komplettieren ein brillantes Konzeptalbum ohne den erhobenen Zeigefinger. Also nicht lange hin und her geredet: eine klare Kaufempfehlung muss zuguterletzt für dieses wirklich tolle Album ausgesprochen werden!

Rating: 9,5 von 10 Punkten!

CD-Review by TOM PROLL

Tom
Über Tom 756 Artikel
X-ACT Music Magazine - Gründer, Erfinder, Herausgeber, Medieninhaber, Chefredakteur, Design, Logo-Creator. Sonst noch: Gitarrist, Composer, Arranger, Producer, Bandleader.