Kein Album hat die internationale Musikszene so nachhaltig beeinflusst wie das legendäre „The Dark Side Of The Moon“ der englischen Psychedelic Rock-Band PINK FLOYD. Die Kritiker überschlugen sich damals wie heute mit Superlativen und beschrieben die Platte als „richtungsweisend“, „bahnbrechend“ oder „rätselhaft“ bis hin zu „absolutes Meisterwerk!“. Das Kult-Album erschien am 24. März 1973 und schlug ein wie eine Bombe, denn nicht nur die Kritiker und Spezialisten liebten es auf Anhieb, auch die breite Hörerschaft kaufte und kaufte. Und das über Jahrzehnte! Über 50 Millionen Tonträger (Platten, CDs etc.) wurden davon insgesamt verkauft, was Pink Floyd das drittmeistverkaufte Album aller Zeiten bescherte. Und noch heute werden Jahr für Jahr rund 250.000 Stück (!) verkauft! 825 Wochen war das Album ununterbrochen in den Billboard-Charts vertreten und erst eine Regeländerung liess es aus der Wertung fallen. Auch das ist ein Rekord für die Ewigkeit. Und noch was: Die ersten Ausgaben hießen „The Dark Side Of The Moon“, ebenso die erste CD-Auflage. Bei einigen späteren Ausgaben (sowohl LP als auch CD) wurde der Name „Dark Side Of The Moon“ verwendet. Bei „Floydianern“ hiess das Album immer nur „Dark Side“.
Für Pink Floyd selber war diese Platte der absolute kommerzielle Durchbruch und bescherte ihnen einen unpackbaren Reichtum, den sie bis heute auskosten dürfen. Es war aber auch ein Wendepunkt, erstmals trafen die Sturköpfe Roger Waters und David Gilmour aufeinander, was in weiterer Folge Jahre später zu heftigsten Diskrepanzen führte, bis hin zur Auflösung der Band. Aber das würde hier den Rahmen bei weitem sprengen. Darum soll es hier nur um das Kult-Album gehen.
„Dark Side Of The Moon“ und ich…
Sommer 1973. Kienberg, eine kleine Arbeiter-Ortschaft im niederösterreichischen Mostviertel am Fusse des Ötschers. Die Kienberger nervte es gewaltig, dass sie eigentlich zur Gemeinde Gaming gehörten, aber das ist eine andere Geschichte. Damals hörten wir hauptsächlich Ö3 und die damaligen Hits und Bands wie Sweet oder Slade waren schon „harte Bands“. Wir mochten die Bay City Rollers und ABBA und die Beatles… Aus Ermangelung eines Platten-Ladens kannten wir die „harten Bands“ wie Uriah Heep, Santana oder Deep Purple usw. nur vom „Hörensagen“… Das sollte sich an einem Sommertag im Jahre 1973 aber schlagartig ändern: Rudi Huber, ein gleichaltriger St. Pöltner, besuchte in unserem beschaulichen Ort seine Grossmutter und hatte sich ein paar Platten mitgenommen. Und als er eines Tages bei unserem Wohnhaus vorbeimarschierte, hörte er Musik aus dem Zimmer, das ich mit meinem Bruder bewohnte. Slade, Sweet, CCR… harmloses Zeug halt. Er fragte uns, warum wir denn nicht die angesagten Bands wie Pink Floyd oder Santana hören und holte vom Haus seiner Grossmutter eben die Santana-Platte und – genau! – „The Dark Side Of The Moon“ von Pink Floyd, von denen wir bis dato noch nicht einmal was gehört oder gelesen hatten… Er borgte uns die beiden Platten und wir überspielten die Musik auf Cassetten. „Dark Side“ gleich 2x, denn wenn das Tape kaputt gehen sollte, damit wir es „auf Reserve“ hatten!
Und dann hörten wir diese Musik, die uns bis dahin völlig fremd war, Tag und Nacht, – und das Album entwickelte sich zu einem Dauerbrenner und das ist es ja auch bis heute noch! Zwar hatten wir als geeichte Ö3-Hörer Mühe mit den experimentelleren Songs, aber „Time“ oder „Money“ entwickelten sich schnell zu Lieblings-Songs, dann „Us And Them“ und so weiter und irgendwann mochte man das Album in seiner Gesamtheit. Und das ist bis heute so! Natürlich hat auch mich und meinen Bruder das Album geprägt und wollte ich ursprünglich eine „Tanzband“ gründen, so reifte in mir ab „Dark Side“ der Wunsch, Rockmusiker zu werden. Natürlich haben wir dann früher oder später das Album auf Vinyl gekauft und es rauf und runter gespielt, dann Mitte der 80er auf CD, Jahre später auf SACD usw. Am 1. Februar 1977 habe ich Pink Floyd in der Wiener Stadthalle endlich live erleben dürfen! Selbstredend sammelte ich in weiterer Folge alle Platten von Pink Floyd, Zeitungsausschnitte über Pink Floyd und wurde zum echten Fan. Aber angefangen hat alles mit dem Erstkontakt mit „Dark Side“!
Die Songs
Das Album beginnt mit dem Kurz-Track „Speak To Me“, für das Drummer Nick Mason als Komponist (?) ausgewiesen wird. Nahtlos geht der „Song“ über in „Breathe“, einem balladesken Song, der ruhig und beschaulich die Platte „eröffnet“. Ein wunderbar zeitloses Stück Musik mit unglaublich schönen Harmonien und mehrstimmigem Gesang. Mit diesem Track haben sie schon mal die Sound-Richtung vorgegeben, die jedoch vom nächsten Titel – „On The Run“ – jäh unterbrochen wird: Synthesizer-Einsatz bis zum Abwinken, die wohl ersten programmierten Sequenzen in der Geschichte der Musikaufnahmen überhaupt, damals gemacht auf dem EMS VCS 3, und Soundspielereien Ende nie… Heute gilt das Stück bei einigen Freaks als „erste Techno-Nummer aller Zeiten“. Naja, kann man so sehen, muss man aber nicht. Auf jeden Fall hat „On The Run“ fraglos einen Synthesizer-Boom ausgelöst, der die Instrumenten-Hersteller-Branche nachhaltig verändern sollte. Und musikalisch stellte der Track einen harten, experimentellen Schnitt zur ansonsten melodiedominierten Musik dar.
Mit „Time“ bescherten Pink Floyd der Welt dann eine Jahrhundernummer: zuerst das irre Geklingel und Läuten diverser Wecker und sonstiger Uhren und dann das schier endlose Intro mit Soundscapes und Drums wie man sie noch nie gehört hatte. Ganz klar einer der überraschendsten Momente der Platte. Und als dann mit einem mächtigen Drum-Break aus dem Intro ein Song wird, traute man seinen Ohren nicht, denn unglaublich dynamisch und wuchtig kam die Klangwolke aus den Boxen und machten diesen Midtempo-Song zu einem ganz edlen Meisterwerk. David Gilmour sang die schräge Textvorlage von Roger Waters mit einer Hingabe, die bis heute für Gänsehaut sorgt. Und dann erst das Gitarrensolo! Gilmour war über die Jahre zu einem hervorragenden Gitarristen gereift und was er hier ablieferte, übertraf alles Dagewesene! Dieses Solo kann ruhig als „Mutter aller Gitarren-Solos“ hergenommen werden und ist hinsichtlich Aufbau, Melodieführung und Dramatik nicht besser machbar! Mit „Breathe Reprise“, das nahtlos an „Time“ angehängt ist, ergibt das Ganze noch zusätzlich eine harmonisch runde Sache!
Es geht weiter mit „The Great Gig In The Sky“, einer wunderbaren Nummer mit unglaublichen Harmonien aus der Feder von Keyboarder Rick Wright († 2008), der hier auch wunderbare Soundlandscapes geschaffen hatte und mit seinen diversen Keyboards und Synthesizern in völlig neue Klangdimensionen vorgedrungen war. Der Oberhammer aber ist die engelsgleiche Stimme der Sängerin Clare Torry, die im Studio den heute legendären Gesangsteil improvisierte und dafür beschämenderweise nur die damals übliche Studiomusikergage bekam. Im Jahre 2004 klagte sie das Urheberrecht für ihre Vocalkomposition ein und bekam recht. Spät aber doch bekam Torry damit einen ihr zustehenden Teil zugesprochen. Die LP musste man an dieser Stelle seinerzeit umdrehen und man hörte zu Beginn von „Money“ Münzen klimpern. Roger Waters hatte eine Handvoll Münzen immer wieder in ein Tongefäss geschüttet und das Ganze aufgenommen. Dann schnitt er aus dem Band sieben gleichlange Teile und klebte das Band wieder zusammen und liess es in einer Endlos-Schleife laufen und – voi la – der 7/4tel Takt für diese Nummer war geboren!
„Money“ entwickelte sich zum veritablen Single-Hit, keine Frage, die Blues-lastige Nummer mit dem gnadenlos lässigen Bass-Riff und dem hinterfotzigen Text wusste zu gefallen. Weniger gefallen hat Gilmour der 7/4tel-Takt, daher änderten sie mit einem Break den Takt in einen stinknormalen 4/4tel-Takt für das Gitarrensolo. Nun, dieses Solo hat es dafür aber schwer in sich und ist auch aus heutiger Sicht noch atemberaubend. Gilmour entschied sich für ein sehr bluesiges laid back-Solo mit vielen Effekten. Für das Saxsolo gehen sie wieder zurück in den ungeraden Ursprungstakt. Dick Parry spielte dann doch jazziger und eben lieber über den schrägen Takt… Mit „Us And Them“ folgt dann eines der absoluten Meisterwerke dieses Jahrhundert-Albums. Wright und Gilmour haben den Song komponiert und damit eine superlässige Nummer geschaffen, die bis heute nichts an Faszination eingebüsst hat! Sounds Ende nie, balladeskes Grundfeeling und dennoch prägnante Momente. Ein Lehrstück für Kompositions-Studenten! Mit „Any Colour You Like“ folgt dann wieder ein experimentelles Stück und mit dem ruhigen, gefühlvollen „Brain Damage“ geht’s dann auch schon ins Finale. „Eclipse“ ist nahtlos an „Brain Damage“ drangehängt und beendet dieses unglaubliche Album.
Die Musiker haben ganze Arbeit geleistet und ein Album für die Ewigkeit fabriziert. Nick Mason sagte selbst in einem Interview: „Wir wussten, dass das das bisher beste war, was wir je gemacht haben! Wir waren und sind sehr stolz darauf!“ Das können sie auch sein. Aber auch Dick Parry (Saxophon) und Clare Torry (Vocals) haben weltklassige Beiträge zu diesem Geniestreich geliefert. Und auch der Tontechniker Alan Parsons festigte seinen Ruf mit dieser Produktion. Er machte zwar später mehr durch sein Wirken mit seinem Alan Parsons‘ Project von sich reden, aber auch er bleibt ewig mit diesem Ausnahme-Album verbunden. Die Aufnahmen zu diesem Album wurden übrigens vom Regisseur Matthew Longfellow mitgefilmt. Im Jahr 1997 wurde eine „Making Of“-Dokumentation produziert, die dann aber erst 2003 unter dem Titel „Classic Albums – The Making Of Dark Side Of The Moon“ auf DVD erschienen ist. Musiker und Mitwirkende kommen in einer 93-minütigen Dokumentation zu Wort. Ein Hammer für alle, die wissen wollen, wie dieses sensationelle Album entstanden ist und was die Protagonisten Jahre später darüber zu sagen haben.
Das einzigartige, weltberühmte Cover
Das Plattencover wurde von George Hardie vom „Hipgnosis“-Designstudio entwickelt. Die Cover-Gestaltung stammt von Storm Thorgersson († 2013). Sie zeigt vor schwarzem Hintergrund die Brechung eines weißen Lichtstrahls an einem Prisma, der sich dadurch in die Spektral-Farben auffächert. Dieses Motiv ist ein Zitat von einem Klassiker des Covers, das Alex Steinweiss 1942 für „Beethoven’s 5. Klavierkonzert“ gestaltet hatte – wobei das Klavier von Steinweiss’ Original durch ein Prisma ersetzt wurde. Die aufgefächerten Spektral-Farben setzen sich im aufgeklappten Teil des Covers fort und beschreiben dort graphisch einen Herzschlag, wie er am Anfang und am Ende der Platte zu hören ist. Für die Neuauflagen zum 20. und zum 30. Jubiläum der Album-Veröffentlichung wurde in den Jahren 1993 und 2003 das Cover optisch erneuert, das Motiv jedoch beibehalten. Es gehört heute zu einem der meist „gecoverten“ Motive, sei es für T-Shirts, Aufkleber, Kunstwerke, diverse Hommagen oder sogar als Tattoo-Motiv! Auf ihrem 2017 erschienen Buch „Pink Floyd – Their Mortal Remains“ wurde für die Erstauflage ein A4-grosses Hologram erschaffen, welches das Prisma-Thema vom Cover alternierend mit zersplitterndem Glas – je nach Betrachtungswinkel – zeigt.
Album-Versionen
Es ist eines der wenigen Alben, die auch in einer Quadrofonie-LP-Version, in etwa vergleichbar mit 4.0-Raumklang, existieren. Es erschien als sogenannte „Quadrophonic 8-Track-Cassette“, die wie die Quadrophonie-LP in den frühen 1970ern ein wenig, vor allem aber in den Vereinigten Staaten, verbreitet war. Die 4-Spur- und 8-Spur-Cassetten sind jedoch nicht zu verwechseln mit der Compact Cassette, die ein völlig anderes Format hat. 2003 erschien „The Dark Side Of The Moon“ neu abgemischt von James Guthrie als SACD in einer 5.1-Kanal-Raumklangversion (5.1 Surround Sound). Viele Fans bemängelten, dass nicht Alan Parsons, der Toningenieur der Abmischung von 1973, für diese Aufgabe herangezogen wurde. 2011 erschien das Album als „Immersion Box“, die unter anderem sowohl den Quadrophonie-Mix von Alan Parsons aus dem Jahre 1973 als auch den 5.1-Mix von James Guthrie aus dem Jahre 2003 enthält. Mittlerweile ist auch eine CD-Version im Papp-Klapp-Cover – ähnlich der Urversion – erhältlich und schliesslich gibt’s auch noch eine Doppel-CD aus der „Experience Pink Floyd“-Serie mit diversen Demo- und Live-Versionen (2011)…
Cover-Versionen
Natürlich gibt es einige Acts, die das Album in seiner Gesamtheit (!) coverten. Die vielen Interpreten, die nur einzelne Songs coverten wie z.B. Dan Reed Network und ihre Version von „Money“ sind einfach unüberschaubar und trotz Internet und Google unrecherchierbar! Erwähnenswert sind die Easy Star All-Stars, die eine komplette Version des Albums im Reggae-Sound einspielten, die Fun-Band The Squirrels spielte das volle Album unter dem Titel „The Not-So-Bright Side Of The Moon“ neu ein. Das Accappella-Projekt Vocomotion spielte 2005 eine Neuinterpretation unter dem Titel „Dark Side Of The Moon A Cappella“ ein. Darin werden sämtliche Instrumente durch Gesang oder Beatboxing imitiert. Die Prog-Metal-Band Dream Theater spielte das komplette Album während ihrer Welttournee 2005 als Zugabe live und veröffentlichte einen Livemitschnitt auf DVD und CD über ihr eigenes Label „YtseJam Records“. Im Oktober 2008 veröffentlichte Extrawelt, das Minimalprojekt von Arne Schaffhausen & Wayan Raabe, auf dem Album „Schöne Neue Extrawelt“ den Track „Dark Side Of My Room“. Ende 2009 veröffentlichte die Band The Flaming Lips eine radikale Neuinterpretation des gesamten Albums. Der aus Vietnam stammende Gitarrist Nguyen Le veröffentlichte 2014 die CD „Celebrating The Dark Side Of The Moon“ auf der, orchestriert von Michael Gibbs, zusammen mit der NDR-Bigband die Titel des Albums interpretiert werden. Das Pacific Symphonic Orchestra lieferte schliesslich eine Klassik-Version und es gibt auch eine Instrumental-Version für Kinder! Und da wäre noch die Version von Phish und und und..
Fazit
Eines der legendärsten Alben aller Zeiten hat den „Test of time“ aber sowas von locker überstanden! Und es ist kein Ende in Sicht, zahllose Pink Floyd-Coverbands spielen Tag für Tag irgendwo auf diesem Planeten die genialen Songs dieses legendären Albums und noch immer gehen CDs und Platten über die Ladentische! Das muss erst einmal eine andere Band schaffen! Ich verneige mich vor Pink Floyd und den damaligen Musikern David Gilmour, Roger Waters, Nick Mason und Rick Wright! Es bleibt mir nur mehr Danke! zu sagen, für eine Platte, die mein Leben so nachhaltig bereicherte und veränderte! Und alles begann an diesem Sommertag 1973…
Special Story by TOM PROLL