Was wurde über dieses Album im Vorfeld nicht schon alles spekuliert? Das letzte Album… verdeckte Hinweise… Schreibweise des Albumtitels… Abschiedstournee… alles Blödsinn! Deep Purple erfreuen sich bester Gesundheit und gehören zu den wenigen Acts, die noch einigermassen regelmässig Alben schreiben, aufnehmen und veröffentlichen! „inFinite“ ist das mittlerweile 20. Studio-Album in der fast 50-jährigen Karriere dieser legendären Band und es kann was! Die Band hat wieder aus dem Vollen geschöpft und ein superlässiges Album rausgehauen! Spielfreude, Spielwitz und profundes Können der Musiker spiegeln sich in allen Songs wieder und es macht auf alle Fälle nicht den Eindruck, als hätten sie schon bald die Schnauze voll. Klar, die besseren Songs haben sie schon früher geschrieben, die grossen Hits hatten sie schon, aber „inFinite“ ist trotzdem ein saugutes Album!
Mit „Time For Bedlam“ geht das 2017er Album gleich mal in die volle Breitseite und Ian Gillan singt erstaunlicherweise frisch wie einst im Mai! Steve Morse (Guitar) und Don Airey (Keyboards) lassen auch nix anbrennen und im Mittelteil des opening tracks gibts gleich mal ein sattes Duell auf die Ohren! Alles super gespielt, und ein Hammer-Song! Herr Gillan singt sich zum Schluss noch kryptisch weg und macht ein bisschen auf Gregorianische Harmonien, – eines der vielen Ausrufezeichen auf die unglaubliche Vielfalt dieses Albums! Beim zweiten Track, „Hip Boots“, gehts dann traditioneller zu Werke, gestandener Hardrock mit bluesig angehauchten Vocals und einmal mehr geilen Solos.
Bei „All I Got Is You“ geht’s erstmal sanfter zur Sache, ehe sich die messerscharfen Riffs durch den Song schneiden, wie der Eisbrecher durchs Packeis am Cover der neuen CD. Ein saugeiler Song und die grosse Stunde von Herrn Airey, der zuerst mit einem tollen Synthie-Solo glänzt, ehe er wenig später die Hammond B3 röhren lässt. „One Night In Vegas“ greift auch mächtig an, solider Rock und Spitzenleistungen aller Protagonisten! Ein herrlicher Song in typischer Deep Purple-Tradition und Herr Morse greift virtuos in die Saiten. „Get Me Outta Here“ schlägt in die selbe Kerbe, ist aber einen satten Zacken moderner arrangiert. Ein experimentierfreudiger Song, den man ihnen nicht zugetraut hätte. Klar, die Orgel klingt wie in den 60er-Jahren, die Gitarre virtuos modern und die Drums souverän wie immer, doch die Vocals und die Stimmung des Songs sind frisch und frech und das steht den alten Herren hörbar gut! „The Surprising“ schlägt dann sanftere Töne an. Eine Ballade erster Güte mit einem starken Text und einer Wendung hin zu einem psychedelischen Rocksong ab etwa zweieinhalb Minuten, Synthsolo, Breaks, Guitarsolo und schon haben wir eine astreine Prog-Nummer… Ein weiterer Beweis, wie extrem vielfältig das Album „inFinite“ ausgefallen ist. Und eine der Überraschungen des Albums! Mit einem göttlichen Riff wartet dann Steve Morse zum Opening des Songs „Johnny’s Band“ auf und Deep Purple mutieren zur Melodic Rock-Band und auch dieser Song will einfach nicht mehr aus den Gehörgänge raus! Genial!
Der nächste Track ist dann „On Top Of The World“. Ein Midtempo-Knaller, wie er im Buche steht! Keine Frage, die Band fischt hauptsächlichen in den bekannten Gewässern ihrer fraglos erfolgreichen Karriere, dennoch steht ihnen die Experimentierfreude und der Pioniergeist gut zu Gesicht! Das ist auch beim nächsten Song „Birds Of Prey“ so. Hier erfinden sie sich neu, probieren Soundgebilde aus, die für Deep Purple bislang fremd waren. Und gerade als man sich mit den neuen, progressiven Klängen angefreundet hat, gibt es eine Kehrtwende zurück zu den Wurzeln der Rockmusik. Bluesige Gitarren, Harp-Klänge und fetzige Drums… Deep Purple covern den „Roadhouse Blues“ der seeligen Doors! Diese Version hat nicht den Biss und den Revoluzzer-Geist der Orginal-Version, hier geht alles relaxter und – dem Alter der Herren entsprechend – ruhiger zur Sache. Klar, auch dieser Song hat Flair und Klasse und man merkt, dass sie das zum persönlichen Gaudium spielen und hier blitzt einmal mehr die enorme Spielfreude auf, die sich durch das komplette Album zieht!
Deep Purple haben ein sehr feines Album abgeliefert, sie wollen immer noch gute Musik machen und sie können das auch! Sie haben nicht einfach ein paar Songs aufgenommen, damit die Fans was zum Kaufen haben, – nein, hier haben sie vielmehr ihre echte Klasse zementiert und einmal mehr ein hervorragendes Album zustande gebracht, was sich die Fans erhofft hatten, ihre Kritiker ihnen nicht zutrauten und manch ihrer Kollegen nicht vergönnen… Auch wenn der ganz grosse Hit fehlt, so sind es doch einen Haufen Songs geworden, die sich auch nicht zu verstecken brauchen! „inFinite“ ist ein cooles Album und wäre es das Debut-Album einer neuen Band würden sich die Kritiker vor lauter Freude in die Hose scheissen, da es aber „nur“ ein weiteres geiles Deep Purple-Album ist, meint so mancher Musikjournalist, er müsse den honorigen Herren ans Bein pinkeln… Deep Purple stehen da längst drüber und ihre wahren Fans werden sich über dieses grandiose musikalische Machwerk sehr freuen. Ich mich übrigens auch!
Rating: 9 von 10 Punkten!
CD-Review by TOM PROLL
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