GERALD GRADWOHL – „RAW“ (CD Review) Jazz-Rock-Fusion-Metal-Jazz der oberen Spitzenklasse!

Gerald Gradwohl zählt nicht nur zu den besten Gitarristen Österreichs, sondern auch zu den vielbeschäftigtsten. Derzeit zupft er u.a. für Leelah Sky, Iris Camaa, Christiana Uikiza und Patricia Simpson die Saiten. Aber am herrlichsten ist es, ihn live mit seiner Gerald Gradwohl Group zu sehen und zu hören! Ewig schade ist um seine Band Threeo. Und dass es eine Fülle von internationalen Jazz- und Fusion-Musikern gibt, die liebend gerne mit ihm spielen würden, ist mittlerweile auch kein grosses Geheimnis mehr! Nun ist sein neues Album „RAW“ auf den Markt gekommen und ist mehr oder weniger sein 11. Album. Und es ist wieder ein feines Fusion-Album geworden, getragen von seiner hervorragenden Band und lebend von seinen absolut internationalen Kompositionen! Gleich der erste Titel „Home Run“ ist ein Jazz-Funk-Lehrstück mit einem lässigen Thema, einem leicht schrägen Saxophon-Solo und einem Gitarrensolo, welches nicht nur sein hohes Können unter Beweis stellt, sondern auch seine Experimentierfreude zementiert. Der funkige Track verzückt aber auch mit den kantigen Bass-Lines. „The Knocker“ ist dann etwas mehr im Rock verwurzelt, dreckiger verzerrter Single Coils-Sound und speedige Hooks greifen frontal an und seine Musiker spielen vor allem die Stopps sowas von genau,  dass einem der Mund offen stehenbleibt! Selbstredend sind die solistischen Leistungen wieder vom Feinsten, der Saxophonist bleibt dabei immer in seinen eingetrichterten Jazzphrasen, während sich Gradwohl einen Dreck um Konventionen scheisst und seiner Gitarre atemberaubende Läufe und schräge Fills entlockt, die Jazz-Puristen die Fragezeichen nur so auf die Köpfe stellt… Das macht er einfach nur gut! „P.E.P.“ ist dann eine fast 8-minütige Ballade, die jazzig dahintröpfelt, wäre da nicht wieder seine Gitarre, die immer dann, wenn es zu sehr „nach Lehrbuch“ klingt, frech und rüde dreinprescht. Nicht, dass er jetzt das Gesamtgefüge stören würde, er reisst Gräben auf und spielt auch schon mal ein Solo mit Power Chords und weiss genau, was der Song braucht. Gerald Gradwohl war immer schon ein Gitarrist, der sich keinen Gesetzmäßigkeiten unterworfen hat oder Trends hinterher gespielt hat, er hat immer genau das gemacht, was er für richtig hielt und tendiert heute mehr denn je zum Rock! Fantastischer Track allemal, wo man auch gut hört, wie sehr die Band zusammengespielt ist!

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Es geht weiter mit „Riot“, einem funkigen Track, der so genial groovt, dass man fast schon meinen könnte, Mother’s Finest würden mit Tower Of Power jammen, denn die Bläser Section ist auch nicht von schlechten Eltern! Gerald Grawohl selber zaubert Riffs, die gnadenlos abgehen, was der Kasten hergibt! In der middle section wieder alles wie gehabt: Sax nach Lehrbuch, somithin locker austauschbar, Gitarre frech und hip, dass es einem die Freudentränen in die Augen treibt! Das Thema gegen Schluss ist auch wieder sowas von genial! Überhaupt sind Gradwohl’s Kompositionen auf einem derart hohen Standard, sodass mir ja keiner kommen muss „für einen Österreicher gar nicht so schlecht“… – der ist längst in die internationale Fusion- und Jazz-Rock-Welt aufgestiegen! Freude und Stolz wären längst angesagt! „Land Of Dreams“ ist dann ein Stück, welches sanft und verhalten beginnt, anschwellende Akkorde und hauchzarte Melodiebögen… dann steigt die Band ein, es groovt fast schon latinmässig, auch das Saxophon ordnet sich unter (!) und spielt songdienlich. Gradwohl zaubert irgendwas zwischen Guthrie Govan, Eric Johnson und Carlos Santana, auf alle Fälle gefühlvoll und aneckend gleichzeitig, immer virtuos und dann und wann schräg wie John McLaughlin in seiner Alk-Phase, aber dennoch immer interessant und unvergleichlich der Herr  Gradwohl! Das Bass-Solo ist auch sowas von stimmig und lässig! Wow! Und dann „Funk With An Attitude“ wo nicht nur die Bläser-Section wieder mit dabei ist, sondern Hubert Tubbs die Leadvocals beisteuert, – und Iris Camaa und Saskia Gradwohl die steilen backing vocals abfackeln. Alles in allem ein sehr schöner Titel, bei dem er wieder ein obergeniales Solo beisteuert! Absolut hörenswert, funky und absolut tanzbar, groovy und cool! „HM Jazz“ ist dann, was man hinter dem Titel schon vermutet: Heavy Metal Jazz mit fetten Riffs und atemberaubenden Unisono-Parts im oberen Tempo-Bereich, totally guitar driven und immer fest am Gaspedal! Hier serviert uns Meister Gradwohl ein Gitarren-Solo, das es in sich hat! Wie geil ist das denn!!! Insgesamt klingt der Titel fast wie eine Nummer vom Panzer Ballett, aber das ist wohlweislich als Kompliment gemeint!

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„Balance“ ist dann eine sehr traditionell Jazz-Nummer im unteren Drehzahlbereich. Gut gespielt aber mit fast 8 Minuten doch hart an der Grenze zu dem, was Otto-Normal-Zuhörer an Slow-Jazz verkraften kann. Dafür greift „The Road To Go“ wieder mit einem gnadenlosen Riff an! Eine rundum geniale Komposition mit einem handfesten Boogie-Rhythmus und einer verspielt rockigen Gitarre, alles wunderbar locker flockig, ein fliessendes Bass-Solo der oberen Qualitätsklasse, dazu Gitarrenakkorde in jazziger Hülle und rockiger Fülle. Das Gitarrensolo ist dann sowas von lässig und hier zeigt er, dass er auch Rory Gallagher und Danny Toan gerne gehört hat! Locker lässig bis virtuos shredding –  alles da! Und dann wieder dieses obergeile Thema. Und! Diese Nummer kommt ganz ohne Saxophon aus und das ist eine echte Wohltat! „Überwhat“ ist danach wesentlich experimenteller, moderne Grooves und spacige Wah-Gitarren, ein traditionelles Jazzrock-Thema, weggesprengte Sounds und ausgezuckte Guitars, freakige Bass-Lines, dann wieder funkige Licks und wieder diese doch recht geile Thema. Ein astreiner Fusion-Song mit allen möglichen Spompanadeln, gespielt auf höchstem Niveau und kompositorisch streckenweise mutig und unkonventionell. Wir nähern uns dem Ende dieses hervorragenden Albums voller Überraschungen: „Life“ ist eine Jazzballade, wo Jeff Beck und Roy Buchanan grüssen lassen und das ist auch als Kompliment gemeint! Und zum Abschluss haut er uns noch „Ready?“ um die Ohren und das ist Country-Fusion vom Feinsten, Bela Fleck hätte mit den Banjo-Attacken seine Freude und Greg Koch würde sich über die Gitarren-Attacken freuen! Auch das kurze Schlagzeugsolo ist astrein und macht Laune! Der Stadion-Rock-Schluss ist dann noch das Tüpfelchen auf’s „i“ und man hat soeben eine verdammt gute Platte gehört! Derart in feinste Jazzharmonik verstrickte Rockphrasen hört man selten und Gerald Gradwohl hat hier wieder eines seiner Meisterwerke abgeliefert! Was soll man sagen? Geile Band, geile Songs, noch geilere Gitarren und Arrangements zum Niederknien! Very well done!

Rating: 9 von 10 Punkten!

CD Review by TOM PROLL

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Weblinks: Official Homepage, Facebook

Gerald Gradwohl Group:

  • Gerald Gradwohl: Guitars
  • Jojo Lackner: Bass
  • Harald Tanschek: Drums
  • Thomas Kugi: Tenor Saxophon

Guests:

  • Hubert Tubbs: Leadvocals (6)
  • Iris Camaa: Vocals (6)
  • Saskia Gradwohl: Vocals (6)
  • Josef Burchartz: Trumpet (4, 6)
  • Martin Fuss: Saxophon (4, 6)
  • Christian Radovan: Posaune (4, 6)

Discography:

Original projects:

  • CATS & CAMELS „Face To Face“ (1991) – Bellaphon
  • THREEO „Threeo“ (1992) – Ixthuluh
  • THREEO „Racing Time“ (1995) – Bellaphon
  • THREEO „Live! …featuring Bob Berg“ (1998) – Extraplatte
  • THE POWERGRADE „Working Men“ (2001) – g-tone
  • GERALD GRADWOHL „ABQ“ (2003) – Emarcy/Universal
  • GERALD GRADWOHL „Tritone Barrier“ (2007) – ESC
  • GERALD GRADWOHL „Trio Sally Beth Roe“ (2009) – g-tone
  • GERALD GRADWOHL GROUP „ABQ Live & Raw“ (2011) – g-tone
  • GERALD GRADWOHL „Big Land“ (2013) – g-tone
  • GERALD GRADWOHL „Raw“ (2016) – g-tone

Studio sessions:

  • HALLUCINATION COMPANY „Keine Angst Vor Nix“ (1993)
  • ROLAND BENTZ „Rolo“ (1993)
  • BROKEN DREAMS „Universum Soundtrack“ (1993)
  • ROBERT OPRATKO sen/FLOHHAUFEN „Die Allerschönsten Kinderlieder 3“ (1994)
  • FLOHHAUFEN Kinderchor „Die schönsten Weihnachtslieder“ (199?)
  • TANGERINE DREAM „Tyranny Of Beauty“ (1995)
  • TANGERINE DREAM „Goblin’s Club“ (1996)
  • MANDI „Gold“ (1996)
  • MAREK KUBSKI (1996)
  • MOSES „Moses“ (1996)
  • HERR BERT „Dieses Dunkelrote G’füh'“ (1997)
  • CHRISTINA ZURBRÜGG „Äs chönnti alls ganz anders sii..“ (1998)
  • DUKE ZOCKER „Wonderful World“ (1998)
  • TATOO „In meinen Träumen“ (1998)
  • CONNY MESS „Für immer und ewig“ (1998)
  • PETER NATTERER QUARTETT „In The Flow“ (2001)
  • STARMANIA Orf TV Show (div Playbacks+ Singles) (2002/2003/2006/2008)
  • ROMANA ROSSI „Schnee im Juli“ (2003)
  • KURT ELSASSER „Hallo wie geht’s?“ (2003)
  • JÜRGEN SOLIS „Burgenland“ (2003)
  • DENNIS JALE „Ins gelobte Land“ (2003)
  • STEPHANIE „Sternenmeer/I Wanna Know“ (2004)
  • TANGERINE DREAM „Rocking Mars“ (2005)
  • GERHARD S. „Es war einmal“ (2005)
  • REINER KIRSTEN div. Singles (2005)
  • PETER NATTERER QUARTETT „The Passing“ (2006)
  • TANGERINE DREAM „Live at Tempodrom Berlin“ (2006) Live DVD
  • TANGERINE DREAM „Orange Odyssey“ (2007) Live DVD
  • STARLIGHT „Du(Single)“ (2007)
  • MELANIE „Deinetwegen“ (2008)
  • IRIS CAMAA „Intimate Exchange“ (2008)
  • JOHANNES EIWEN „Staunend…stehe ich vor Dir“ (2008)
  • NORDWAND „Album“ (2009)
  • CHRISTINE HÖDL „Pure“ (2011)
  • MONIKA BALLWEIN & BAND „Soul Circus“ (2013)
  • HARALD WEINKUM „ÜberThree“ (2013)
  • ADAM NITTI „Not Of this World“ (2014)
Tom
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X-ACT Music Magazine - Gründer, Erfinder, Herausgeber, Medieninhaber, Chefredakteur, Design, Logo-Creator. Sonst noch: Gitarrist, Composer, Arranger, Producer, Bandleader.