Das ist das Album des Jahres 2016!!! Wie kann das sein Mitte September? Da bringen ja noch eine Menge Superstars ihre gehypten Alben kurz vor Weihnachten auf den Markt? Jaja, schon, aber es wird Niemandem mehr gelingen, das dritte Album der Vorarlberger Prog-Sensation SECOND RELATION zu toppen! Was die hier abgeliefert und/oder vorgelegt haben, ist zweifelsfrei internationale Spitzenklasse. Und gerade in dem doch recht anspruchsvollen Genre „Prog-Rock/Metal“ hätte man das nicht erwartet, zumal ja die üblichen Prog-Götter zumindest aus den USA oder England kommen… …aber aus Vorarlberg? Yep! Genau! Aus Götzis in Vorarlberg.
„Second Relation veröffentlichen ihr neues Album „Eno“ am 23. September 2016 über Long Branch Records/SPV. „Eno“ ist ein Gesamtkunstwerk mit einer gewaltigen Vision, welche hier ihren kraftvollen Abschluss findet und gleichzeitig einen Aufbruch in eine neue Ära darstellt. Mit „Eno“ geben Second Relation ein erstaunliches Lebenszeichen von sich. Das Album wurde in Eigenproduktion im Vision Music-Studio in Vorarlberg aufgenommen. Dabei hat die Band ihr bisheriges Schaffen kontinuierlich weiterentwickelt und den Kompositionen ihren Stempel aufgedrückt. David Castello, seines Zeichens Verantwortlicher und Mixer der Produktion von Opeth und Katatonia, übernahm die Regler bei dem Album „Eno“. Das Mastering führte Tony Lindgren (James LaBrie, Leprous) von Fascination Street Studios in Stockholm durch. Second Relation schlossen sich 2007, als gerademal 15-Jährige, zusammen um gemeinsam Musik zu machen. Bereits 2009 erschien ihr vielbeachtetes Debütalbum „Lynette“, welches der Metal Hammer sofort zum „Demo des Monats“ kürte und auch in anderen Magazinen Höchstpunktzahlen einfuhr. Beflügelt von diesem Start eröffnete Second Relation 2009 das „Summer Breeze Festival“ und zog sich direkt im Anschluss ins Studio zurück, um ihr zweites Album „Abiona“ fertig zu stellen. Nach dem Release von „Abiona“ legten die jungen Musiker eine Kreativpause ein. Nun kommt Second Relation zurück mit ihrem neuen Album „Eno“, welches den Abschluss einer musikalischen Trilogie mit weiblichen Namensgeberinnen darstellt.“ …allein schon dieser Presse-Text gibt Auskunft über eine sehr steile Karriere einer noch sehr jungen Band, – heutzutags sind sie allesamt so Mitte Zwanzig und immer noch guter Dinge, die langen Haare sind ab, sie sehen jetzt aus wie Teilnehmer eines Versicherungsvertreter-Kongresses, aber sie beherrschen ihre Instrumente sagenhaft und schreiben saugute Songs UND sie können diese auch tadellos live spielen, – und zwar auf höchstem Niveau!
Nun, was hat es mit „Eno“ auf sich? Das Album ist einer gewissen Eno Yoon gewidmet und/oder über/bzw. für sie geschrieben. Jetzt denkt ihr sicher, diese koreanische Studentin muss die absolute Sex-Göttin sein oder nahezu Nobelpreis-Verdächtiges abgeliefert haben, dass ihr die Ehre zuteil wird, dass eine der begabtesten Prog-Bands Europas ihr gleich ein ganzes Album widmet. Mitnichten! Sie war bei der CD-Präsentation physisch anwesend und ist eine kleine, unscheinbare, sympathische Asiatin. Nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht ist sie ja die Freundin des Sängers und Bassisten Bastian B. Berchtold? Was man aber weiss ist, dass die Schwester des Sängers/Bassisten, eine gewisse Johanna R. Berchtold, bereits zum dritten Mal für die grafische Umsetzung der „Frauennamen-Thematisierung“ zuständig war. Das Artwork ist nicht mein Fall, aber wem’s gefällt… Zumindest zieht sich durch die drei Konzeptalben auch ein optisches Konzept durch.
Und nun zur Musik. Hier muss im voraus gesagt werden, dass sich die Band musikalisch verändert hat, die Metal-Anteile wurden in Pop-Anteile geändert, die Rock-Anteile prozentuell erhöht und mit etwas Jazz angereichert. Die von der Band selbst zitierten neuen Funk-Anteile sind nicht existent. Gitarren-Solos gibt’s nicht mehr, die Gitarren spielen zwar immer noch lässige Parts und tolle Hooklines, aber es gibt keine Solos mehr. Und das ist schade. Insgesamt ist der Sound dichter und kompakter geworden, das Ganze klingt mächtig professionell und vor allem das Songwriting ist absolut gereift! Auch punkto Arrangements wurde gefeilt und getrickst, alles genialst gemacht, hier kann man nix mehr besser machen!
OK, rein in den Player und ab die Post! Das Album beginnt mit dem relaxten und groovigen Opener „Eno“, der sich schon bald aufbäumt wie ein rassiges Wildpferd und vor allem gesanglich ein akustisches Meisterwerk darstellt. Die fantastischen Chöre (allesamt vom Sänger astrein eingesungen) haben sowas von Klasse, dass einem glatt die Spucke wegbleibt! Der Song hat lässige Piano-Parts, pumpende Bässe und dann und wann rotzig freche Gitarren, die dem stark im Pop verhangenen Song gekonnt ein Bein stellen und die Fahnen des Rock hochhalten! Insgesamt ein ungeheuer dynamischer und druckvoller Song, der auch mit seinen groovigen Parts voll und ganz überzeugen kann. Wenn es auf dieser Welt Gerechtigkeit geben würde, dann müsste der Songs in den Charts Einzug halten, allein schon wegen der atemberaubenden Chöre! Es geht weiter mit „Labyrinth“, einem Stück, welches ebenso von ausserirdischen Chören geprägt ist, dazu atemberaubende Unisono-Parts und Tempi-Wechsel und mit eben allem, was das Herz eines Prog-Fans höher schlagen lässt. Coole Gitarrenparts und dann fast sowas wie ein Solo, was jedoch wieder nur eine Hookline ist, zwar eine geile… Anyway, es gibt auf diesem Album – wie gesagt – keine Solos mehr. Beide Gitarristen, die übrigens absolut lässig spielen, ordnen sich auf diesem Album dem Bandsound unter. Die Leadvocals dominieren auch diesen Song und wenn jemand unbedingt Vergleiche braucht, dann sei an dieser Stelle erwähnt, dass man viele Vocal-Lines von Camel her so oder ähnlich schon gehört hat. Da die Jungs aber weder so alt sind, um diese Band zu kennen, noch Camel als eine ihrer Einflüsse erwähnen, sei ihnen attestiert, dass sie weder „Alt-Prog-Rock“-Recycling betreiben, noch frech stehlen. Der Zufall mag hier Pate gestanden haben… „White Mirror“ beginnt wie eine alte Jazz-Rock-Nummer aus den Endsiebzigern und wächst zu einem Song mit unglaublicher Dichte und Atmosphäre, hier passt wiedermal einfach alles! Das jazzige E-Piano groovt sich lässig weg, die Gitarren setzen fetzige Riff-Meilensteine und der Chorus glänzt mit ungeheuren Akkord-Abfolgen, so a la Genesis zu „Seconds Out“-Zeiten. Auch „White Mirror“ ist einer jenen Songs, die im Ohr hängenbleiben und speziell von extrem souveränen Gesangsleistungen leben. Irgendwie Weltklasse!
An dieser Stelle muss aber auch ganz klar festgehalten werden, dass auch der Bass auf höchstem Niveau groovt und Bass-Lines dargeboten werden, die sich nahtlos ins Gesamtkonzept perfekt einfügen! Und dann erst die Drums! Bist du deppert, – der Drummer Michael Simic hat einen Quantensprung vollzogen und spielt auf internationalem Niveau, groovt wie die sprichwörtliche Sau und spielt vor allem abwechslungsreich, virtuos und band-, bzw. songdienlich, dass es eine wahre Freude ist! So muss Drums! OK, es geht weiter mit dem Song „The Essence Of The City“, einem Jazzrock-Versatz allererster Güte, Erinnerungen an Return To Forever werden wach und dann wieder an Colosseum II, speziell, wenn die Gitarren das Ruder übernehmen. Glaube nicht, dass diese Jungs das Jahrhundertalbum „Electric Savage“ kennen… aber dieser Song klingt streckenweise sehr danach und das adelt Second Relation! Im Akustikgitarren-/Gesangs-Mittelteil glänzt einmal mehr Bastian B. Berchtold und beim nächsten Instrumental-Break geht’s a la Grobschnitt weiter, eine geile Hookline fährt ab wie die Sau, eine Hammond kommt dann noch dazu und rundet das ganze mega ab. Power und Drive bis zum Abwinken! Was für ein Song-Finale! Dann wird es Yes-mässig und auch wieder etwas poppiger: „Canvas, Color, Comfort“ ist einer dieser Songs, der das Erbe von Steely Dan, Yes und den Beatles derart gekonnt vermischt, dass es ein wahre Freude ist! Hier sind Könner am Werk! Allein schon die Komposition ist unglaublich dicht und dennoch zugänglich, und dann dieses Arrangement, welches man nicht besser hätte machen können! Hervorragend und auf einem atemberaubenden Niveau!
„Rebirth“ beginnt mit atmosphärischen Flächen, ehe Gitarren den Klangnebel zerschneiden wie eine Laserschwert Kräuterbutter. Geile Leadvocals, aber das ist ja bei jedem Song so! Tolle Riffs und der bislang härteste Song, abermals mit fetten Drums und satten Chören. Hier haben sie zur Abwechslung mal einen Song gemacht, der Fahrt aufnimmt und diese mal dreieinhalb Minuten durchzieht! Macht sich gut und geht ab, was der Kasten hergibt! Phänomenal! „Countless Damages“ beginnt dann schon mal mit übereinander verlagerten Chor-Versatzstücken allererster Güte, ehe Dream Theater grüssen lassen. Nur, Second Relation kupfern niemals ab, zitieren und huldigen bestenfalls, zu genial sind ihre eigenen Songs! Bei diesem Song drücken die Gitarren wie böse, die Orgel spielt ein lässiges Solo, und einmal mehr Vocals wie von einem anderen Stern! Punkto Texte handelt es sich um kleine poetische Meisterwerke, und das gilt für das gesamte Album! Mit E-Piano-Klängen a la Bob James beginnt „Familiar Surroundings“, abermals ein jazzig angehauchter Track, der seine ganze Kraft im ungeheuer satten Chorus entfaltet. Auch hier ein Arrangement zum Niederknien! Erinnerungen an die besten Momente von Genesis und Saga werden wach, man kennt viele Parts ähnlich von den Prog-Heroes der obersten Liga, ohne dass man ihnen auch nur den geringsten Plagiatsvorwurf machen könnte! Der mit 7:22 Minuten längste Song des Albums glänzt mit einem cleanen Gitarrensolo (also doch noch ein Solo… aber zählen cleane Solos?) a la Steve Howe oder Eric Johnson auf. Sehr geil gespielt!
„Any Direction“ wiederum beginnt wie ein Steely Dan-Track, jazzige Chords, schwierige Chöre und E-Piano, tonnenschwere Gitarren und einmal mehr ein Arrangement, welches auf jedem Konservatorium locker als Lehrbeispiel herhalten kann! Fetzige Guitar-Hookline, gesanglich einige Experimente, verschiedenste Teile gekonnt zu einem Meisterwerk zusammengeführt! Was soll man sagen? Alles eine Klasse für sich! Was kann da noch kommen? Zum Abschluss „Second Hand Life“, balladesker Anfang, dann eine musikalische Achterbahnfahrt zwischen harten Gitarren und angezerrten E-Piano-Sounds! Herrlich! Die Vocals genial wie immer, Chöre de Luxe und einmal mehr eine Komposition, die es in sich hat, Double-Bass-Attacken und brachiale Gitarren… wow! – hier gehts ab und das Intro hätte nicht auf ein derart abgefahrenes Finale schliessen lassen. Einmal mehr Camel-artige Vocals und dieser fette Chorus! Heilige Scheisse! Was für ein musikalisches Feuerwerk! So und nicht anders muss so ein Klasse-Meisterwerk enden! Second Relation hinterlassen den Hörer sprachlos und der Finger kann gar nicht „replay“ drücken, weil er noch zittert! Was für ein Album! Was für eine Band!
Dass es das noch gibt, dass sich das eine Band noch antut! Alles im Vision Music-Studio in Götzis, Vorarlberg, sauber aufgenommen, alles pippifein und genial eingespielt, dennoch mit kleinen Ecken und Kanten, wie es sein muss. Hier sind fraglos Könner am Werk und der Sound alleine drückt aus den Boxen, dass man sich fast in die Hose scheisst! Wie genial ist das denn! Der Sänger und Bassist Bastian B. Berchtold liefert astreine Vocals, geniale Chöre und groovig satte Bass-Lines, die beiden Gitarristen Simon Gstöhl und Julian Nachbauer liefern aussergewöhnliche, abwechslungsreiche und virtuose Gitarrenparts, brettern satte Riffs und spielen diesmal noch banddienlicher und songdienlicher als zuvor! Respekt! Dann der Keyboarder Daniel Fleps, der hörbar am meisten zur musikalischen Veränderung in Richtung Jazz beigetragen hat und das ist gut so. Das passt zu Second Relation anno 2016! Und last but not least der Drummer Michael Simic, der mit seinem grossartigen Drumming hier einen wesentlichen Teil zum fetten Sound beigetragen hat! Allesamt haben sie hier wirklich ein Album gezaubert, welches internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht! Keine Frage, hier ist eine Band herangereift, die einst mit allen Grossen der Prog-Szene in einem Atemzug genannt werden wird! Halleluja! Österreich hat wieder eine herzeigbare Prog-Rock-Band, die nochdazu auf ihrem neuen Album zeigt, dass ihnen die neuen Einflüsse wie Pop und Jazz gut tun und dass sich herzergreifende Melodien und tonnenschwere Gitarren-Riffs durchaus vereinen können! Ich bin sprachlos…
Rating: natürlich 10 von 10 Punkten!
CD-Review by TOM PROLL
Weblink: facebook
Second Relation on X-ACT Music Magazine: „Abiona“ CD-Review, Live-Review