Die Schweizer Alphorn-Queen Eliana Burki präsentiert uns ihr neuestes Album „Arcadia“ und eines schon mal vorweg, die quirlige Solothurnerin hat sich einmal mehr verändert: nach Jazz, Funk, Blues, Rock und einem Ausflug in die Klassik, taucht sie nach ihrer letzten Metamorphose tief in die World-Music ein. Und sie hat ihre zweifellos vorhandene Virtuosität nicht verloren, setzt beim neuen Album allerdings verstärkt auf eindringliche Melodien und auch ihre Stimme kommt diesmal wesentlich mehr zur Geltung. Interessante Verwandlung allemal und das hören wir uns gleich mal etwas genauer an. Und wer wissen will, was Eliana Burki über Yoga, die Schweiz und ihr Leben als musikalische Nomadin denkt, der kann das ja im aktuellen Interview nachlesen!
Aber nun zu „Arcadia“. Das Album beginnt mit „Habibi“, einem anfangs eher ruhigeren Stück, welches durch gefühlvolle Vocals glänzt und sich zu einem schönen Chorus aufbaut. Stark an orientalische Melodien angelehnt, fast schon angebiedert, ist dieser Titel in seiner Gesamtheit, doch eher langweilig und gleichförmig… Der zweite Titel „Trivandrum“ kommt dagegen mystischer und atmosphärischer aus den Boxen. Aber auch dieser Titel schlängelt sich so durch knapp 5 Minuten mit immer ein und der selben Melodie. Man wartet auf was, und da kommt nix… Oder doch? Gegen Ende des Songs hört man einen hörbar geistig verwirrten, manisch depressiven Geiger. Das kann’s aber nicht gewesen sein, oder? Schon bin ich gewillt, aufgrund des tollen Interviews mit diesem interessanten Menschen Burki, die CD-Kritik zu verwerfen, als plötzlich „Le Notti di luna“ so herzergreifend frisch meine Ohren in Beschlag nimmt. Ein wunderbarer Song mit genau jenen Hooklines, die man von Madame Burki kennt. Hier spürt man Tiefgang und Seele und mit einem Hauch Radiotauglichkeit auch die Hitqualitäten! Mit „Vesuvio“ steht dann der mit über 8 Minuten gleich auch längste Titel des Albums auf dem Programm. Einmal mehr ein atmosphärisch dichter Song mit unheimlich viel Seele und einer Hauptmelodie, die sich als Ohrwurm entpuppt. Zwar ist „Vesuvio“ ähnlich mystisch gelagert wie „Trivandrum“, aber diesmal schafft sie es, den Spannungsbogen immer aufrecht zu halten und hat vor allem Melodien für die Ewigkeit aus ihrem Alphorn gezaubert. Fast märchenhaft endet der Song nach 8 kurzweiligen Minuten mit einer Spieluhr a la „Rockpommel’s Land“. Herzige Idee! Für mich eine der besten Nummern aus diesem bislang recht abwechslungsreichen Album.
Eine bluesige Gitarre eröffnet dann „Remember Me“, doch der akustische Schein trügt: nix Blues! Ein klassisches Arrangement mit all dem Streicher-Zeux, schrillen Vocals und sanftmütigem Alphorn lässt „Remember Me“ schwer nach Filmmusik klingen. Die schwülstigen Geigen deuten darauf hin, dass vermutlich gerade das Einhorn gestorben ist… oh wie schade! Und gerade als man eingeschlafen ist, reisst einem eine sonore Männerstimme zu einer Dobro-Slide-Gitarre aus den Träumen! Der Beginn von „Voodoo Queen“ ist schon mal geglückt und originell. Der Song entwickelt sich dann zu einem lasziven Jazz-Song mit allerlei Geigen und witzigen Songdetails. Das Alphorn ist hier total lässig gespielt. Alle Achtung, so sophisticated und ehrlich, dass es eine wahre Freude ist! Dann kommt mit „Nata“ der rhythmisch schnellste Song des Albums. Allerhand klassisches Gegeige wiedermal, ein entfesseltes Alphorn und laszive Vocals. Natürlich einmal mehr eine grenzgeniale Hookline zum Niederknien! Es folgen sechseinhalb Minuten „Arcadia“: der Titeltrack tröpfelt zuerst mystisch dahin, Eliana Burki spricht verträumt italienisches Irgendwas (io no capito…), dann Geigen, Möwen, Meeresrauschen, ein hervorragendes Klavier, Eliana wunderbar auf ihrem Burki-Horn und alles fliesst und schmilzt nur so dahin, – da taucht im Sonnenuntergang das totgeglaubte Einhorn galoppierend über die Wellen wieder auf und alles ist gut!
Was für ein Album! Eliana Burki hat sich selber neu erfunden und wieder einige verzaubernde musikalische Momente geschaffen. Sie hat einige hervorragende Musiker um sich geschart und ein Album voller Überraschungen gemacht. Ein paar Durchhänger sind auch dabei, aber das mag Geschmacksache sein, dafür versöhnt sie mit anderen Stücken wie „Vesuvio“ oder „Voodoo Queen“ umso mehr. Unterm Strich ein sehr persönliches und sehr emotionales Album, das man auf alle Fälle gehört haben sollte!
Rating: 7 von 10 Punkten!
CD-Review by TOM PROLL
Weblinks: Offizielle Homepage, facebook
Eliana Burki im X-ACT Interview
DISCOGRAPHIE:
- „Eliana“, 2003
- „Hearbeat“, 2007
- „Travellin‘ Root“, 2010
- „Alpine Horn Symphonic“, 2013
- „Arcadia“, 2016