Am 20.2. 2016 fand in der tollen Schweizer Barockstadt Solothurn der Event „Schlager Potpourri“ statt. Die Stadt, aus der die Vorzeige-Hardrocker Krokus stammen und die durch ihr Klassik-Festival weltbekannt ist, sollte an diesem Abend mit Schlager-Melodien verwöhnt werden. Und es war ein Abend voller musikalischer Überraschungen.
Klar, zu Schlager haben viele ein gestörtes Verhältnis, zumal es in gewissen Kreisen nicht „in“ ist, andere stossen sich wiederum daran, dass es im Schlager ja primär um heile Welt, eitle Wonne Sonnenschein und die Liebe in allen Facetten geht und andere wiederum verstecken sich hinter Vorurteilen oder Unwissen. Aber seien wir mal ehrlich: wenn Bon Jovi „I love you always and forever“ singen, dann ist das auch Schlager… zumindest bezüglich Text…
Es gibt eine Reihe von Künstlern, die sich mit Schlager schon einen „goldenen Arsch“ verdient haben und wenn man sieht, welche Massen Andrea Berg oder Helene Fischer anziehen, dann steht vollkommen ausser Frage, dass es erstens ein Publikum für Schlager gibt und sich zweitens diese Künstler trotz breiter medialer Ignoranz einer stolzen Fanschar erfreuen können. Aber: der „Nachwuchs“ in diesem Genre hat es genauso schwer wie in jedem anderen Marktsegment der Musikindustrie und umso erfreulicher ist es, wenn sich nun ein Verein – in diesem Fall der Verein „Schlagerfreunde Solothurn“ – anschickt, die jungen und unbekannteren Talente zu fördern. So geschehen an jenem Samstag. Vier Künstler traten im ehrwürdigen Konzertsaal Solothurns auf, der sich als akustische Herausforderung für den Tontechniker herausstellte, zuviel Naturhall war schwierig in den Griff zu bekommen, wurde aber bravourös gemeistert.
Einziger Wermutstropfen war die Publikumskulisse, – es hätten ruhig mehr Leute den Weg in den Solothurner Konzertsaal finden können. Aber, wer nicht dabei war, ist selber schuld, denn was letztlich an Musikalität geboten wurde, war schon einzigartig. Die junge Solothurnerin Michelle Ryser präsentierte Songs aus ihren Alben, speziell aus ihrem letzten Doppel-Album „Volks-Country“. Und der Name ist Programm, denn ihre Songs vereinen Volksmusik, Schlager und Country auf eine ganz eigene Art und Weise, denn zu den stilübergreifenden Songs singt sie mal Schwyzerdütsch, dann wieder Hochdeutsch oder Englisch. Natürlich durfte auch ihre ureigene Version von „Take Me Home Country Roads“ nicht fehlen, die mit einem lässigen accappella-Teil begann und dann zu einem Techno-Schlager anschwoll, welcher das Publikum mächtig anheizte. Mit ihrer Abschlussnummer „Mein Herz sagt Danke“ lieferte sie die schönste Ballade des Abends ab, eine hervorragende Komposition vom Ex-Klostertaler-Multiinstrumentalisten und Komponisten Uwe Altenried!
Nico Sanders, der Sänger mit der meisten Erfahrung, spulte den ersten Teil seiner Performance eher lustlos herunter, konnte dann aber im zweiten Set zulegen und bot hinreissende Vico Torriani-Coversongs und gute eigene Titel. Ich hätte mir von dem Routinier allerdings etwas mehr erwartet. Meine Erwartungen erfüllte dafür der Latino Pascal Silva, der unter den Fittichen von Schlagerpapst Jack White steht, der mit ihm auch schon so einiges produziert hat. Sein zweites Set war der Hammer, angeführt von einer atemberaubendem Version von „Unchained Melody“ steigerte er sich von Song zu Song zu einem Furioso aus Latin-Rhythmen und tanzte dazu wie ein wildgewordener Latin-Lover, – sehr zur Freude der anwesenden Damen! Stimmlich sowieso ein Abräumer und tänzerisch ein Halbgott!
Da lag die Latte für den Gastgeber, Moderator und Schlager-Senkrechtstarter Simon Broch sehr hoch! Doch der nahm die Herausforderung an, punktete mit seinen Hits „Ferrari will ich keinen“ und „Küss mich noch mal“ und setzte schliesslich mit einem fulminanten Schlagermedley einen vorläufigen Schlusspunkt, ehe er Zugaben geben musste und alle vier Stars zum Finale gemeinsam sangen. Simon Broch ist ein Typ, der den Schlager so ehrlich interpretiert wie Lemmy von Motörhead einst seinen Heavy Metal! Oder Udo Jürgens seine Songs. Oder Lady Gaga ihren Techno. Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen, verzaubert seine Fans mit seinem sonnigen Gemüt und hat mittlerweile seine Stimme total im Griff, singt sich facettenreich durch sein schwieriges Programm und hatte auch als Moderator die Show voll und ganz im Griff! Mit Humor und Feingefühl setzte er Akzente und sorgte für Lacher. Dass er sich auch rührend um die im Publikum anwesenden behinderten Menschen kümmerte, stellte ihm letztendes auch hinsichtlich Menschlichkeit das beste Zeugnis aus! Simon Broch – diesen Namen wird man sich merken müssen!
Eine gelungene Veranstaltung, mit der die Obfrau Barbara Schäfer ein starkes Ausrufezeichen für den Schlager setzte! Das Publikum war verzückt und forderte lautstark Zugaben, die Stars zeigten sich pulikumsnah und gaben in der Pause und am Ende der Show bereitwillig Autogramme, signierten CDs und posierten mit Fans für Fotos und am Ende waren alle rundum glücklich. Also wenn das kein gutes Zeichen ist?! Man kann zum Schlager stehen, wie man will, aber man sollte doch so fair sein und Leistung anerkennen und akzeptieren, dass es Menschen gibt, die daran Freude haben und glücklich nach Hause gehen. Und die anwesenden behinderten Menschen eines Heimes für betreutes Wohnen hatten Freudentränen in den Augen und mal einen aussergewöhnlichen Ausflug… na wenn das kein Pluspunkt ist?! Eines ist schon jetzt klar: es wird 2017 wieder ein „Schlager Potpourri Solothurn“ geben und dann werden sicher mehr Leute kommen, denn soviel positive Energie spricht sich sicher herum!
Live-Review by TOM PROLL
Fotos von Ernst Zimmermann und Agnes Bosshard-Grolimund