Andi Appel – jahrzehntelang einer der besten Musikjournalisten des Landes, natürlich auch festes und unverzichtbares Mitglied der Redaktion der X-ACT Printmagazin-Jahre, zig Jahre Erfahrung als Promoter und jetzt Buch-Autor! Eigentlich war es ja nur eine Frage der Zeit, bis Andi Appel seine Erfahrungen in der Musikbranche und sein Können als Schreiber zusammenfasst und in einem Buch verewigt. Und jetzt hat er es getan und hat rechtzeitig zum 40. Jubiläum der Wiener Rock-Band Blind Petition eben deren Geschichte niedergeschrieben. Aber es ist jetzt keine langweilige Biografie mit Auflistungen und bla bla bla, – es ist ein spannendes, unterhaltsames und witziges Buch geworden, eine Bestandsaufnahme von 40 Jahren Blind Petition, inklusive aller Höhen und Tiefen, ehrlich und gradlinig. Es liest sich flott und flüssig, Appel hat dazu eine Reihe Zeitzeugen befragt und sicher mit Bandleader Hannes „Fusel“ Bartsch stundenlang geredet und sich sicher seitenweise Notizen gemacht. Und diese Arbeit hat sich bezahlt gemacht, denn es ist im Endeffekt nicht nur der Werdegang einer der erfolgreichsten Rockbands Österreichs, es ist auch die private Geschichte des Bandleaders und es ist vor allem eine Zeitreise, denn Appel hat zu den einzelnen Kapiteln immer wieder die jeweils damaligen Ereignisse aus Politik und Sport einfliessen lassen und auch die musikalische Entwicklung über die Jahrzehnte Revue passieren lassen. Man erfährt somit in diesem Buch auch, welche Fussballmannschaft gerade Meister war und welcher Hit im Radio lief, wann „unplugged“ zur Mode wurde und wer gerade Bundespräsident war. Und das macht dieses Buch zusätzlich interessant und erklärt auch so manche Trends, die sich wiederum auf die Band und ihren Maestro auswirkten.
Blind Petition wird immer gerne als kontroverse Band dargestellt: „…man mag sie oder eben nicht“… alles Blödsinn, sie sind eine Band wie viele andere auch, eckten da und dort mal an und wechselten häufig die Besetzung. Waren mal erfolgreich und dann wieder weniger. Wie andere auch. Dieser künstliche Krieg zwischen Wiener und restösterreichischen Bands ist damals fraglos kranken Musikjournalistengehirnen entsprungen. Wer mit Hannes und seiner Band zu tun hatte, weiss, dass sie immer ehrliche und faire Musikkollegen waren und ihr Ding durchzogen. Mal mehr, mal weniger. Dann aufgelöst und wiedervereint und letztendlich fest verankert in den Geschichtsbüchern der heimischen Musikgeschichte. Und jetzt auch noch in diesem Buch!
In bildhafter Sprache versteht es Andi Appel blendend, die Kindheit und Jugend des Bandleaders zu portraitieren und wie ich den „Fusel“ kenne, hat der sogar sicher extra darauf bestanden, dass nix beschönigt oder weggelassen wird, egal ob es jetzt die Häfen-Geschichten rund um seinen Vater waren oder die Alkoholexzesse der Musiker seiner Band. Keine Gnade eben. Nicht mal mit sich selbst. Aber gerade das zeichnet Hannes Bartsch eben auch aus.
Andi Appel nimmt die Leser mit auf die Reise einer Band, man erfährt alles über die Anfänge, die ersten Proben, den vermutlich grössten Aschenbecher der Welt, die Aufnahmen diverser Alben samt Hintergründe und ist fast schon live dabei, als „Fusel“ über die Konzerte in Russland erzählt, als die Band vor 50.000 Leuten aufspielte. Die Zitate sind immer toll eingefügt und entwaffnend ehrlich. Da werden die Dinge beim Namen genannt. Aus basta. Keine Gnade! – der Name des Buches ist fraglos Programm. Fast schon detailverliebt arbeitet „Fusel“ in diesem Buch seine Vergangenheit auf, nennt die Dinge und die Musiker bei ihren Namen und verschweigt auch nicht die Gründe, warum sie gnadenlos aus der Band flogen. Es ist aber auch eine Story der persönlichen Schicksale, denn man erfährt praktisch so „nebenbei“ den Lebens- und Leidesweg des Langzeit-Drummers Robert Suk und warum Hannes seinen „sicheren Job“ nicht aufgeben wollte und damit vielleicht eine grössere Karriere verpasste…
Herzerfrischend ehrlich, manchmal geprägt von Euphorie, dann wieder sentimental und manchmal auch traurig. Immer aber steht die Liebe zur Musik im Vordergrund und der eiserne Wille, trotz Rückschlägen weiterzumachen. Appel beschreibt auch die familiäre Geschichte des Bandleaders mit der nötigen Portion Feingefühl und Bartsch gewährte dem Autor tiefe Einblicke in seine persönlichsten privaten Momente, die aber scheinbar immer untrennbar mit seinem musikalischen Werdegang verbunden sind.
Hat man das unglaublich lässige und spritzige Vorwort von Christian Kolonovits gelesen und dann die Geschichte der Band Blind Petition, die lückenlos von der Namensfindung bis zum letzten Studioalbum „Law & Order“ reicht, findet sich noch ein Epilog, in welchem Appel noch einmal zu den Kindheitsjahren des Bandleaders rückblendet, womit sich der Kreis schliesst… Wohl durchdacht und fast schon wie ein Drehbuch, interessant und nie langweilig. Eine derartige Bio bzw. Bandgeschichte liest man recht selten und wenn man die Band und/oder die Musiker kennt, dann ist dieses Buch noch wertvoller. Appel hat der Band und vor allem dem Bandleader ein Denkmal mit 216 Seiten, zigtausend Buchstaben, einer kurzweiligen Story, interessanten Details und einer feinen Selektion von Fotos aus all den Jahren gesetzt! Ein Pflichtbuch für Fans der österreichischen Rockmusik. Ein Pflichtbuch für Blind Petition-Fans sowieso!
Buch-Review by Tom Proll
Homepage des Buches „Keine Gnade“
Homepage der Band Blind Petition