Vorgruppe…

Das Szenario ist bekannt: Ein internationaler Act ist angesagt und im Vorprogramm tritt eine sogenannte „Vorgruppe“ auf. Und obwohl sich die jungen, ambitionierten Musiker die Finger wund spielen und ihr Allerbestes geben, kommt der Sound zum Kotzen und die Lichtshow, die ihnen zugestanden wird, kommt über 1.000 Watt scheinbar nicht hinaus… ein Trauerspiel. Das Publikum, oft nicht fachkundig genug, denkt nun natürlich, dass die „Vorgruppe“ einen derartigen Schas spielen muss, dass das so scheusslich klingt.  Nun, oftmals werden wirklich gnadenlos grauenhaft spielende Bands als Vorgruppen engagiert, doch zumeist werden gute und sehr gute Bands einfach verarscht und als Anheizer verheizt!

Es fängt schon damit an, dass hierzulande und im benachbarten Deutschland immer von „Vorgruppen“ die Rede ist. Das Wort „Vorgruppe“ ist an sich schon eine schlimme Diskriminierung und gehört dringend aus dem Vokabular der Szene verbannt. Bei den Engländern und Amis heissen die Anheizer dann schon wesentlich besser „Guests“, „Special Guests“ oder im besonderen Falle sogar „Very Special Guests“. Was aber nicht unbedingt heisst, dass ebendort die Vorgruppen besser behandelt werden wie hierzulande, dass ihnen ein besserer Sound gemacht wird und ihnen mehr Watt der Lichtanlage zur Verfügung gestellt werden. Diese Unsitte der aberwitzig arschlochmässigen Schlechterbehandlung ist wohl weltweit verbreitet, doch klingt „Special Guests“ irgendwie doch wesentlich besser als „Vorgruppe“. Und wer glaubt, dass schlechter Sound, schlechtes Licht, lauwarmes Catering (wenn überhaupt), zu wenig Getränke für die Vorgruppe, miese Ankündigung ebendieser und ein abgefucktes Quartier für die Nacht schon das schlimmste sind, was einer Band geschehen kann, die auf dem Weg nach oben den dornigen Weg als Support-Act gewählt hat, der irrt gewaltig!

Dass eine Plattenfirma für einen Act bezahlt, damit eine bekannte Band ebendiesen mit auf Tour nimmt, ist ja kein grosses Geheimnis, dass nun aber immer öfter Vorgruppen zur Kassa gebeten werden, wenn sie im Vorprogramm vor einem internationalen Top-Act auftreten wollen, ist dann doch etwas zuviel des Guten. „Pay To Play“ heisst das Spiel und kommt aus den USA zu uns. In den Staaten zahlen junge Bands auch schon immer öfter in kleinen Clubs, um dort auftreten zu dürfen und wenn dieser Unfug so weiter geht, werden bald Vorprogramm-Auftrittstermine bei grossen Festivals, wo auch namhafte Künstler auftreten, an den Meistbietenden abgegeben. Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Wertschätzung der Qualitäten – da geht’s dann bald nur mehr um Kohle, Piepen, Money…

Aber warum muss das so sein? Das fragen sich immer wieder betroffenen Bands wie Publikum gleichermassen. Erst neulich konnte ich bei einem grossen Open Air hautnah einen derartigen Fall beobachten: Eine Vorgruppe kommt auf die Bühne, wird von den Roadies des Hauptacts blöd angemacht und keiner ist zuständig für irgendwas, die Band, die sich sichtlich auf diesen Auftritt freut, weiss noch nichtmal, wann sie genau auftreten soll und wie lange sie eigentlich spielen darf. Der Stage Manager kommt irgendwann mal daher und fordert die Band auf, doch etwas schneller aufzubauen und gibt bekannt, dass es definitiv keinen Soundcheck geben wird. Der Monitor-Techniker stellt dem Drummer für sein grosses Drum-Set ganze 3 (!) Mikrofone zur Verfügung und kaum hat die Band aufgebaut, kommt der Stage Manager und eröffnet der Band, dass sie sofort zu spielen beginnen müssen, denn jede Minute, die ab jetzt länger herumgetüftelt wird,  geht zulasten der absoluten Auftrittszeit. Die Band beginnt dann gleich zu spielen, das Publikum weiss nicht recht, was da auf der Bühne vor sich geht, denn niemand fand es der Mühe wert, die Band auch anzukündigen. Der Sound ist wie üblich beschissen, der Sänger kommt erst bei der zweiten Strophe aus der P.A. und dass der Gitarrist soeben ein Solo spielt, kann man nur an seinen Hand- und Fingerbewegungen erahnen. Der Sound ist viel zu laut und undifferenziert, das Publikum denkt vielleicht, dass die Band so schlecht spielt… – aber egal, es ist ja eh nur die „Vorgruppe“…

Dass „Vorgruppen“ bei solchen Veranstaltungen immer die Gefickten sind, ist eine bedauerliche Tatsache, die eigentlich irgendwannmal der Vergangenheit angehören sollte, denn das Publikum hat ein Recht auf einen anständigen Sound, auch von der Vorgruppe! Und den arrivierten Stars nimmt keine Vorgruppe der Welt was von ihrem Ruhm weg, die sind ja eh schon aus dem Schneider… Einfach zum Nachdenken!

Tom Proll

Anmerkung 19 years later: Dieser Artikel aus der legendären Kolumne „Tom’s Corner“ wurde erstmals in der X-ACT Ausgabe Nr. 11 im Sommer 1996 veröffentlicht und hat bis heute nichts an Gültigkeit verloren. Leider! Ja noch viel schlimmer: seit Jahren hat sich das sogenannte „Buy On“ etabliert, das heisst, eine Band kauft sich als Support Act bei einer Tour ein… Zum einen garantieren die Managements dann einen besseren Sound und besseres Licht und zum anderen die Nennung der Band auf den Plakaten sowie bei diversen PR-Aussendungen. Und darüber hinaus ist das „Buy On“ ein fixer Kalkulationsposten bei der Tourplanung geworden. An der Gesamtsituation hat dies aber auch nicht grossartig was geändert, der Sound ist meistens immer noch mies, das Licht eher bescheiden und die supporting Bands spielen zwischen 30 bis maximal 45 Minuten. Zugaben sind ohnehin gestrichen, da kann das Publikum noch so lautstark fordern… Aber, eines hat sich wesentlich verbessert: da die Anglizismen in den letzten 19 Jahren wesentlich mehr in den Sprachgebrauch vorgedrungen sind, ist es heutzutage cool, wenn man so hip ist und die Vorgruppe ganz chillig und straight „Support Act“ nennt!

Tom
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X-ACT Music Magazine - Gründer, Erfinder, Herausgeber, Medieninhaber, Chefredakteur, Design, Logo-Creator. Sonst noch: Gitarrist, Composer, Arranger, Producer, Bandleader.