Doro Pesch kann eine beeindruckende Karriere vorweisen und wer bei einem ihrer umjubelten Konzerte ihrer letzten Tour dabei war, wird bestätigen können, dass sie auch nach über 30 Jahren im Musikbusiness und in der Metal-Oberliga keinesfalls müde wirkte, sondern mit Vollgas saustarke Konzerte in Überlänge zelebriert und immer noch ein grosses Herz für ihre Fans hat. Während sich andere Rock-/Metal-Stars längst mit einem herabrattern ihrer Greatest Hits begnügen, ist Doro bemüht, nahezu täglich ihre Setlist zu ändern, um auch weniger oft gespielte Songs live zu bringen. Und während Kiss-Mastermind Gene Simmons frustriert herumlabert „Rock is dead“, beweist Doro mit ihren Live-Shows und ihren Alben ganz genau das Gegenteil!
Die sympathische Metal-Queen aus Düsseldorf begann ihre Karriere in den Regional-Bands Snakebite, Beast und Attack, 1983 gründete sie mit anderen Musikern die Senkrechtstarter Warlock, mit denen sie 1984 das legendäre Debut-Album „Burning The Witches“ veröffentlichte. Es folgte eine sagenhafte Karriere, die sie über eine Vielzahl von Alben, Tournee, Festival-Konzerte, Duette mit anderen Superstars bis hin zum aktuellen Album „Raise Your Fist“ (2012) führte und bis heute ungebrochen anhält! Natürlich wurde ihre Karriere auch dementsprechend gewürdigt: sie war 5 Mal für den „Echo“ nominiert, den sie 1994 dann auch gewann und im Juni 2013 wurde sie in London in der O2-Arena vom legendären britischen Musikmagazin „Metal Hammer“ mit dem „Golden Gods Award“ ausgezeichnet und zur „Legende“ geadelt, – als erste Frau überhaupt! Und im September selben Jahres durfte sie dann auch noch den deutschen „Metal Hammer-Award“ mitnehmen! Sebstredend wurde sie natürlich auch in vielen anderen Ländern weltweit immer wieder ausgezeichnet und ihre Discographie inklusive ihrer zahlreichen Duette würde hier den Rahmen bei weitem sprengen. Doro ist einer der wenigen Metal-Acts, die nie weg waren, auch die Zeiten der Techno-Welle und Grunge-Ära unbeschadet überstanden haben und immer on tour waren. Doro spielte Ende November 2014 ein umjubeltes Konzert in Dornbirn im Rahmen ihrer Jubiläumstour „30 Years – Strong & Proud“ im bereits ebenfalls legendären Venue „Conrad Sohm“. Wir trafen die unermüdlich abrockende Metal-Queen nach ihrem Dornbirner Gig zum Gespräch:
Tom Proll: Du bist seit über 30 Jahren im Musikbusiness, davon mehrheitlich in der Metal-Oberliga. An was denkst du dabei gerne zurück? Was ist dir nachhaltig in Erinnerung geblieben?
Doro: Da waren so viele Highlights über all die Jahre! Die schönsten Augenblicke waren eigentlich, mit genau den Leuten zu touren, die für uns damals die absoluten Heroes und Vorbilder waren, wie zum Beispiel die erste Tour mit Judas Priest 1986, das war so unglaublich, dass wir damals als kleine Kellerband die Chance bekamen, mit unserer Lieblingsband zu touren. Dann 1987 die Tour mit Ronnie James Dio, das war wirklich eine denkwürdige Konzertreise! Wir hatten ja damals kaum Gelegenheit, mit den Headlinern zu sprechen, erst 2000 machten wir mit Dio eine längere Tour durch die USA und da freundeten wir uns auch so richtig an. Früher war das ja so, da waren die Headliner und die Support-Bands noch ziemlich getrennt, die Stars wurden immer abgeschottet. Dass man als Musiker zusammen so abgehangen hat, wie es heute ja schon normal ist, das war in den frühen 80er Jahren nicht der Fall. Dann noch das „Monsters Of Rock“-Festival 1986, das war auch einer der eindrücklichsten Momente, weil wir ja zuvor nur für hunderte oder ein-, zweitausend Leute gespielt hatten und dann waren bei „Monsters Of Rock“ hundert- oder hundertzwanzigtausend Leute da, das war so unglaublich! Obwohl der Druck auch ungeheuer gross war. Aber auch unsere erste Amerika-Tour mit Megadeth, das war geil. Dann haben wir ganz am Anfang, so in den frühen 80ern mit Metallica gespielt, das war in ganz kleinen Clubs, aber da denkt man gerne zurück. Und was damals so schön war: es gab halt keine Regeln, jeder konnte so laut spielen wie er wollte, auf der Bühne machen was er wollte, also punkto Stagediving und so… aber das geht heute alles nicht mehr und das fehlt mir schon irgendwie. Überall sind Securities, die alles absperren und in den Clubs gibts Lautstärkebegrenzungen und das macht dann halt nicht mehr so viel Spass, in Wohnzimmerlautstärke abzurocken. Und dann erst die grossen Festivals, so wie „Wacken“ oder das „Bang Your Head Festival“ in Deutschland, aber auch die tollen Festivals im Ausland, das „Swedenrock“ mag ich sehr gern, Spanien ist nach wie vor ein Treffpunkt für ganz enthusiastische Doro-Fans. Aber auch, dass man immer wieder tolle Leute trifft und zu denn dann Verbindung hält, wie z.B. zu Lemmy, da waren wir ja gemeinsam mit Motörhead auf Tour. Den Lemmy kenn ich jetzt ja schon seit den frühen 80ern…
Tom Proll: Apropos Lemmy, wir haben da mal in einem Magazin gelesen „Doro tamed the lion“, weil du ihn ja dazu brachtest mit dir Balladen aufzunehmen…
Doro (lacht): Ach ja der Lemmy! Wir hatte das erste Mal auf dem Album „Calling The Wild“ ja zwei Balladen drauf und da hab ich das erste Mal gehört, wie gefühlvoll der eigentlich singen kann. Und das war wirklich auch eine tolle Erfahrung, mit Lemmy zusammenzuarbeiten.
Tom Proll: …Lemmy ist ja auch ein humorvoller Zeitgenosse…
Doro: Ja! Was hab ich mit dem schon gelacht, er ist ja auch ein Meister des dunklen, britischen Humors. Bei den Aufnahmen sind wir oft tagelang herumgehangen und haben nur gelabert und gelacht. Ich hab ihn ja auch chauffiert und da sind wir dann mal rumgefahren und gefahren und gefahren, fast schon bis ans Ende der Welt und das war ja auch irgendwie wie im Film, du fährst und fährst und dann geht es nicht mehr weiter und dann standen wir plötzlich vor einem Fluss, wo es tatsächlich nicht mehr weiterging, – und ich fragte Lemmy: Und? Sind wir da? Er: Ja! Und brachen in Gelächter aus…
Tom Proll: Live spielen… wie siehst du das heute?
Doro: Es ist auch heute für mich immer noch eine Ehre, vor Leuten spielen zu dürfen, egal ob grosse Festivals oder kleine Clubs, es ist auch noch heute immer wieder eine Herausforderung und es macht mir auch immer noch jede Menge Spass!
Tom Proll: Wie stehst du jetzt zu den allerersten Posters, die von dir erschienen sind, so mit Dauerwelle und so…?
Doro: Dauerwelle? Ui! Ja, – die hatte ich auch mal, in den 80ern… Auch die Outfits waren damals ja irre. Ich dachte eigentlich, ich hätte immer schon nur schwarz getragen, aber wenn ich mir dann so alte Fotos anschaue, – woah! Damals waren ja so hellblaue und rosa T-Shirts in… aber das war halt damals so. Aber ich trag jetzt seit über 20 Jahren schwarz, mehr oder weniger…
Tom Proll: gibts sonst noch Unterschiede zwischen früher und jetzt?
Doro: Ja, früher waren die Metaller ja nie in den Charts und wurden seltenst im Radio gespielt. Gut, dass mit dem Radio hat sich nicht grossartig geändert, – aber jetzt sind viele Metal-Bands mit ihren Alben in den Charts und das find ich richtig gut!
Tom Proll: Du hast in London diesen „Golden Gods Award“ bekommen. Wie gefällt dir diese Wertschätzung aus dem „Mutterland des Rocks“?
Doro: Ich hab einen derartigen Award auch in Berlin gekriegt und das war auch super, – aber London, das war schon einzigartig! Es war ja in meinen Anfängen noch so, dass alles über London bzw. England ging, das war das Mutterland der Rockmusik und die dort ansässigen Plattenfirmen haben ja auch entschieden, ob du einen weltweiten Plattenvertrag kriegst und so, also England war damals noch wichtiger als Amerika. Und wir waren ja damals eine rein deutsche Band und das war hart, sich da im internationalen Business durchzuboxen und dann war da ja auch noch die englische Presse, die sehr hart sein kann. Die Amis sind meistens sehr cool, sehen alles eher positiv, aber die Engländer konnten schon beinhart sein! Wir haben dann Jahre um gute Reviews gekämpft und das war dann bei der „True Steel“, die erste Platte die weltweit rauskommen durfte, und da brach dann das Eis. Es war zwar sehr hart, sich da durchzukämpfen, aber es hat sich gelohnt, immer dranzubleiben und hinterher kriegt man dann auch noch so eine Ehrung! Es war wirklich sehr beeindruckend. Das war der erste Award an eine Frau überhaupt!
Tom Proll: Wenn du so auf deine Karriere zurückblickst, dann kannst du richtig stolz sein, denn diesen weltweiten und vor allem anhaltenden Erfolg als deutscher Rock-/Metal-Act können ausser dir ja nur die Scorpions und Rammstein für sich beanspruchen…
Doro: Ja, diese Anerkennung ist schon toll, es war auch ein hartes Stück Arbeit um dorthin zu kommen, wo wir heute stehen.
Tom Proll: Gibt es Songs, die du nicht mehr so gerne spielst?
Doro: Nein, jeder Song ist mir ans Herz gewachsen, ich liebe jeden Song aus verschiedenen Gründen. Ich tu mir ja auch immer schwer, wenn wir die Songliste erstellen, weil ich da dann ja zwangsläufig Songs weglassen muss, aber wir stellen während der laufenden Tour ja immer wieder die Songliste um, zum einen für die Fans, die von Konzert zu Konzert reisen, damit die nicht immer das gleiche Set hören und zum anderen, dass auch weniger gespielte Songs wiedermal live abgerockt werden! „Für Immer“ ist zum Beispiel so ein Song, der kommt mit soviel Gefühl rüber, manche Fans haben dabei Tränen in den Augen! Also ich könnte diesen Song am Tag zehn Mal spielen! Oder „All We Are“, den Song haben wir bei einem Konzert gleich 4 Mal gespielt. Nach zwei, drei Songs gab es schon Sprech-Chöre „All We Are…“, also gut, dann haben wir den Song eben vorgezogen, nach dem zehnten Song so etwa wieder die Sprech-Chöre, OK, dann haben wir den halt noch mal gespielt, und im ersten Zugaben-Block nochmals und zum Abschluss als allerletzten Song nochmals… Eigentlich hätten wir das ganze Konzert nur „All We Are“ spielen können.
Tom Proll: Von der Kellerband zum weltbekannten Metal-Star: hättest du dir damals gedacht, dass du so erfolgreich werden wirst du vor allem so unglaublich akzeptiert? Erinnerst du dich noch an deinen allerersten Gig?
Doro: Nein, natürlich nicht. Wir haben ursprünglich Musik ja nur zum Spass gemacht. Aber anfangs dachte ich ja nicht mal daran, jemals live zu spielen. Und dann hab ich das dann doch gemacht, mit meiner ersten Band, also noch vor Warlock, und das war gleich eine Herausforderung, weil wir in einen Punk-Club spielten und da waren dort dann 30 Metaller und 150 Punks, also das hat überhaupt nicht gepasst, die haben fast alles kaputtgeschlagen, aber wir haben weitergespielt. Und ein Punk war sehr besoffen und sehr ungemütlich, der hat die ganze Zeit mit einer Pistole auf mich gezielt, dann ist er auch noch auf die recht niedrige Bühne rauf und hat herumgepöbelt und mit seiner Pistole herumgefuchtelt… Jedenfalls hab ich erst danach erfahren, dass die Pistole sogar geladen war! Also, das war mein erster Gig und ich dachte mir, pfoah!, – das Metal-Leben wird ganz schön spannend werden!
Tom Proll: Erinnerst du dich noch an die Anfänge? Gab es überhaupt eine Metal-Szene?
Doro: Ich hab 1980 angefangen, da gabs noch keine richtige Metal-Szene, 1984 ist dann die erste Platte rausgekommen und dann hat sich langsam so etwas wie eine Szene gebildet. Metal war ja damals in Deutschland ja noch ganz am Anfang! Alle blickten nach England und Amerika, die hatten damals schon wesentlich mehr und bessere Acts… Das war ja die grosse Zeit von Bands wie Judas Priest, Iron Maiden und Van Halen…
Tom Proll: Wie hat sich deiner Meinung nach das Rollenbild der Frauen im Metal über all die Jahre verändert?
Doro: In den 80ern gabs schon superstarke Frauen, auch All-Girl-Bands, Rock Goddess habe ich geliebt, oder Lee Aaron und Darby Mills – beide aus Kanada – waren auch steil, dann auch noch Heart, oder Leather Leone… also es gab schon sehr gute Frauen in der Rock- und Metal-Musik, aber man wurde damals schon so eher in die Sex-Ecke gedrängt, auf der Bühne oder in Videos waren da immer so leicht bekleidete sexy Mädels als Aufputz dabei, „Bimbos“ nannte man die damals, den Ausdruck gibts ja heute nicht mehr. Also, die haben zumeist halbnackt getanzt, hatten einen bescheuerten Gesichtsausdruck und das Ganze war auch irgendwie unwürdig. Man musste damals höllisch aufpassen, dass man nicht in diese Ecke reingedrängt wird. Sexy war schon OK, aber es durfte nie zu waghalsig sein, um nicht in der Schmuddel-Ecke zu landen. Aber durch die Jahre hindurch hat sich das ja grundsätzlich geändert. Heute haben Sängerinnen wie Tarja Turunen oder Liv Kristine keinerlei Probleme damit, die haben auch sehr viel Respekt und da stellt sich auch gar nicht mehr die Frage, das die so in die Sexy-Ecke schrubben. Das war in den 80ern eben noch nicht ganz so, das war manchmal schon unwürdig, aber diese „Ausziehen! Ausziehen!“-Rufe hört man ja heute nirgends mehr, auch nicht bei den Gothic-Bands, die schon sehr vordergründig auf Sex in ihren Shows machen.
Tom Proll: Früher hast du in Interviews oftmals deine Vorbilder genannt, da ist immer wieder Ronnie James Dio vorgekommen, oder Judas Priest oder Lemmy. Heutzutags gibt es eine neue Frauen-Rock-Generation, darunter Maria Brink von In This Moment und Kobra Paige von Kobra & The Lotus, beide nennen heutzutags unter anderem Doro als Vorbild…
Doro: …das find ich toll, das find ich irgendwie süss! Aber ich kümmere mich jetzt ja auch schon seit Jahren um Nachwuchsbands, arbeite auch für die „Wacken Foundation“ und gebe immer wieder gerne Tipps. Das ist eine natürliche Entwicklung, an die ich früher ja gar nicht dachte, auch nicht, dass die Karriere so lange anhält, dass wir so viele Alben verkaufen… Ich wollte ja schon nach der zweiten Platte nicht mehr, alle waren fertig und alle hatten damals so eine Art „Burnout“ – das Wort gabs damals ja noch gar nicht – und die dritte Platte wurde dann auch unter erschwerten Umständen gemacht. Das war heftig und ich dachte schon nach der zweiten Platte, wir machen nie wieder eine Platte. Aber es ging weiter und immer weiter… Und je mehr man kämpft, desto stärker wird man.
Tom Proll: wie lange hast du noch vor, Musik zu machen, auf Tour zu gehen?
Doro: (lacht) Nochmals 30 Jahre!
Ich danke dir für das Interview und wünsche dafür natürlich alles Gute! Und während dieses Interview hier niedergeschrieben und veröffentlicht wird, stehen auf der Doro-Homepage schon wieder eine Vielzahl an Konzerten. In den USA, Deutschland, Spanien, Norwegen… es geht also weiter, immer weiter. Und das ist gut so!
Interview by Tom Proll
Mehr Infos und alle aktuellen Tourdaten findet ihr auf der Doro Homepage!